51. Gemeindekatechese 5

Dem nächsten Projekt im Rahmen der Gemeindekatechese war nur ein kurzes Leben beschieden. Der Versuch mit dem „Partnerschaftsseminar“ misslang.

 

Wenn junge Leute heiraten wollten, empfahl man ihnen, an einem „Brautleute-Kurs“ teilzunehmen. Das katholische Jugendamt in Düsseldorf führte solche Kurse in der Jugendbildungsstätte St.Swidbert durch und die Brautleute aus Hochdahl nahmen dort daran teil. In der hohen Zeit der Gemeindekatechese tauchte bei uns der Wunsch auf, ein solches Angebot in der eigenen Gemeinde zu machen. Inhalt und Ablauf eines solchen Kurses hätten wir dabei übernehmen können. Es war üblich, die Paare zu einem Wochenende, einem Samstag oder auch zu mehreren, hintereinander folgenden Abenden einzuladen. Nach dem Vorbild der Taufgespräche hätte in Hochdahl wieder eine Gruppe von Gemeindemitgliedern die Verantwortung und Leitung der Vorbereitung übernommen. Und für jeden einzelnen Kurs wären zwei oder drei Mitglieder zuständig gewesen. Vermutlich hätte die Bindung an die Gemeinde den Gesprächen eine persönlichere Atmosphäre gegeben. Umgekehrt hätten sie sicher das Gefühl der Zusammengehörigkeit in der Gemeinde gestärkt. Eine offene Frage blieb bei diesen Planungen, ob die Zahl der Heiratswilligen in Hochdahl groß genug sein würde, um eigenständige Brautleute-Kurse regelmäßig durchzuführen.

 

Während wir darüber nachdachten, schob sich eine andere Problematik mehr und mehr in den Vordergrund und verdrängte den Plan mit dem Hochdahler Brautleute-Kurs. Wir blieben an der Frage hängen: Was tun junge Leute eigentlich, um sich auf das Leben in der Ehe vorzubereiten? Die berufliche Ausbildung fordert ein großes Maß an Anstrengung und dauert viele Jahre. Demgegenüber gleicht die Vorbereitung auf die Ehe der Planung „eines Ausflugs an die Ahr“. Vielleicht könnten manche Konflikte und Schwierigkeiten in der Ehe leichter bewältigt werden, wenn man gelernt hätte, wie das geht: „miteinander leben“. Die gesellschaftliche Situation legte es zu der Zeit nahe, solche Überlegungen anzustellen. Die Zahl der Ehescheidungen ging in die Höhe und die „Ehe auf Probe“ bereitete vielen Eltern von Heranwachsenden menschliche und moralische Probleme. Warum sollten wir nicht auch hier nach einer Möglichkeit suchen, Jugendliche und Erwachsene miteinander ins Gespräch zu bringen? So entstand die Idee, ein „Partnerschaftsseminar“ anzubieten. Das Konzept war schnell erarbeitet. Jugendlich etwa ab 18 Jahren – nach der Firmung – werden eingeladen. Die Gespräche finden in Gruppen bis zu 10 Leuten statt. Die Teilnehmer können entscheiden, ob sie sich an mehreren Abenden mit wöchentlichem Abstand treffen wollen oder an einem Wochenende, das  auf Wunsch nach einiger Zeit wiederholt werden kann. Die Gespräche sollen von zwei oder drei Erwachsenen begleitet werden, die sich in einem „Arbeitskreis Partnerschaftsseminar“ vorher intensiv auf diese Arbeit vorbereiten. Die bevorzugte Arbeitsform wird der Austausch im Gespräch sein, aber auch Rollenspiele sind möglich und alle Formen von Ausdruck und Kommunikation, die nicht über die Sprache gehen. Ziele des Partnerschaftsseminars sind: Selbsterfahrung, Äußerung der eigenen Empfindungen und Meinungen, Gesprächsfähigkeit, Hörfähigkeit, Kontaktfähigkeit – im Grunde alles, was zu einem Leben in „Partnerschaft“ gehört. – In den Aspekten von März 1981 wurden diese Überlegungen zum ersten Mal vorgestellt.

 

Als der Arbeitskreis unter kompetenter Leitung mit der Vorbereitung begann, konnten wir nicht ahnen, dass die Arbeit schließlich nicht gelingen würde. Wir waren 18 Damen und Herren und gingen mit viel Bereitschaft und Zuversicht an die Arbeit. Wenn ich von heute her zurückblicke, habe ich immer noch das Empfinden, dass dieser Kurs gelungen war. Wir haben viel Zeit investiert, wie trafen uns an 10 Abenden und zwei Wochenenden, insgesamt 22 Sitzungen von je eineinhalb Stunden. Der Kurs war intensiv, manchmal auch anstrengend, aufs Ganze aber wohltuend und bereichernd. Wie die Treffen abliefen, wird in den Aspekten von Dezember 1981 an einem Beispiel erläutert. Eine Aufgabe lautete: Jeder schreibt in Stille auf einen Zettel 3 bis 4 Eigenschaften, die er für sich selbst für besonders typisch hält; dann schreibt er seinen Namen darunter und heftet den Zettel an die Wand. Anschließend können alle Gruppenmitglieder an den Zetteln vorbeigehen, lesen, was jeder über sich geschrieben hat, und dazuschreiben, was sie selbst bei dem Betreffenden für typisch halten. „Diese Übung ist ein Weg zu einer realistischen Selbsteinschätzung. Die Fähigkeit, sich und andere einzuschätzen, wird trainiert; der Austausch über die Bilder, die man von sich und dem anderen hat, führt dazu, offener und echter zu werden. So erfährt z. B. jemand, der sehr selbstkritisch ist, dass andere ihn u. U. positiver sehen als er sich selber. …“ (Aspekte, Dezember 1981) Neben solchen Aufgabenstellungen gab es Kleingruppen- und Plenumsgespräche, Spiele, Malen, meditative Übungen usw. Die wissenschaftliche Bezeichnung für die Gesamtmethodik ist Themenzentrierte Interaktion (TZI). Wir haben oft mit solchen Methoden gearbeitet und es ist schade, dass sie aus der seelsorglichen Arbeit praktisch verschwunden zu sein scheinen.

 

Das erste Angebot für die Jugendlichen zwischen Ostern und Sommer 1982 stieß durchaus auf Interesse. 25 junge Leute nahmen teil. Sie trafen sich in drei Gruppen an zehn Abenden für jeweils zwei bis drei Stunden. Hinterher berichteten die Teilnehmer in den Aspekten (Oktober 1982) über ihre Erfahrungen. Demnach hatte es in einer der Gruppen Probleme gegeben. Mehrere Teilnehmer hatten sich wohl nach kurzer Zeit auf sich selbst zurückgezogen und keinen Zugang zu den anderen mehr gefunden. Allem Anschein nach sind  wir diesen Schwierigkeiten nicht nachgegangen. Wir haben zwar nicht verschwiegen, dass nicht alles gut gelaufen war, haben dann aber einfach für den Jahresanfang 1983 ein umfangreiches neues Programm angeboten. Und das stieß nur auf ein sehr begrenztes Interesse. Zu einem Informationsabend Anfang Januar erschienen nur 11 Jugendliche. Zwei Gruppen fanden sich zunächst zusammen, eine für wöchentliche Treffen und die andere für ein Wochenende. Beide Vorhaben fielen dann aber aus, weil niemand mehr dazu kam und einige vor Beginn sich wieder zurückzogen. Das war ein enttäuschendes Ergebnis, das uns wahrscheinlich viel von unserer anfänglichen Zuversicht genommen hat. Zwischen Ostern und Sommer 1983 kamen dann doch noch zwei Gruppen zustande. Die eine war eine feste Jugendgruppe, die schon längere Zeit zusammen war und sich an neun Abenden mit dem Thema Partnerschaft beschäftigte. Für die andere Gruppe hatten sich acht Jugendliche neu angemeldet. Die Begleiter waren zwei Erwachsene des Arbeitskreises und eine Jugendliche. Die Erfahrungen scheinen in beiden Gruppen recht positiv gewesen zu sein. Das kann man jedenfalls den Berichten in den Aspekten von Oktober 1983 entnehmen. Umso eigenartiger ist es, dass das Partnerschaftsseminar danach nicht fortgesetzt wurde.

 

Wie es dazu kam, ist die ganzen Jahre hindurch nicht geklärt worden. Die Idee mit dem „Partnerschaftsseminar“ hielten wir doch zunächst für sehr sinnvoll und gut. Auch die Vorbereitung war intensiv und erfreulich. Und das Interesse bei den Jugendlichen war zunächst auch vorhanden. Aber dann hörte es irgendwann einfach auf. Die Erklärung, die uns damals eingefallen ist, lautete: „Die Kirche ist für die Jugendlichen in dieser Frage nicht der kompetente Ansprechpartner“. Dieser Satz war wohl eher eine Selbstrechtfertigung und hat die Klärung der Ursachen blockiert. Im Rückblick meinte einer, der damals dabei war, es sei eingeschlafen, das Partnerschaftsseminar. An dieser Formulierung ist richtig, dass es keine gemeinsame Klärung und keinen Beschluss darüber gab, das Partnerschaftsseminar zu beenden. Es hörte einfach auf.

 

Warum ist dieser Versuch misslungen? Auch nach so vielen Jahren lohnt es sich noch, nach den Gründen zu suchen. Denn aus Fehlern, die man erkannt hat, kann man lernen. Im Vergleich mit der Vorbereitung auf Erstkommunion, Buße, Firmung und Taufe zeigt sich eine Lücke im Konzept des Partnerschaftsseminars: als die Arbeit mit den Jugendlichen begann,  hat es anscheinend keinen „Arbeitskreis Partnerschaftsseminar“ mehr gegeben! Die „Vorbereitungsgruppe“, die wir manchmal als „Arbeitskreis“ bezeichnet haben, war sehr aktiv und hatte einen guten Zusammenhalt. Aber sie ist allem Anschein nach nie mehr zusammengekommen, nachdem die Trainingsphase beendet war. Bei den anderen Formen der Gemeindekatechese war die jeweilige Gruppe der Begleiter oder der entsprechende Arbeitskreis das eigentlich tragende Element der Arbeit. Deshalb hätte es auch beim Partnerschaftsseminar einen Arbeitskreis (d.h. die Fortsetzung der Vorbereitungsgruppe) geben müssen, um die Erfahrungen mit den Gruppen zu besprechen, um Schwierigkeiten zu klären, um das Konzept zu erstellen und immer wieder anzupassen, um die weitere Arbeit zu planen und den Kontakt zu den Jugendlichen zu halten. – Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass anscheinend die gesamte Aktivität über die Aspekte gelaufen ist. Dort wurden die Planungen vorgestellt und dort wurde von den Erfahrungen berichtet. Der Verdacht liegt nahe, dass da ein „direkter Weg“ an die Stelle der Tätigkeit und Eigenständigkeit eines Arbeitskreises getreten ist. – Andere Schwierigkeiten entstanden nicht aus einem Fehler im Konzept, sondern ergaben sich aus der Sache. Bei den anderen Formen der Gemeindekatechese ging es immer um die Vorbereitung auf den Empfang eines Sakramentes. Und dabei kann eine bevorstehende Taufe ein unkompliziertes Thema für einen ganzen Abend sein. Und der Blick auf den Anlass hält das Gespräch leicht im Fluss. Demgegenüber verhilft das Ziel: „Miteinander leben lernen“ viel weniger zu spontanen Äußerungen und Klärungen. – Umso wichtiger wäre es gewesen, für die Arbeit mit den Jugendlichen ein klares und ausgearbeitetes Konzept zu haben. Und es wäre gut gewesen, wenn es eine Mappe mit Anregungen, Spielmöglichkeiten und Vorschlägen für Einstiege ins Gespräch gegeben hätte. So waren die Begleiter weitgehend auf die Erfahrungen aus der Vorbereitungsgruppe oder aus anderen Aktivitäten mit Jugendlichen angewiesen. Trotz der Schwierigkeiten ist noch manches gelungen.

 

Es hat Stimmen gegeben, die meinten, wir hätten die ganze Arbeit nicht so hoch aufhängen sollen. „Partnerschaftsseminar“ sei nun doch ein sehr anspruchsvoller Titel. Und zudem missverständlich. Tatsache ist, dass auch bei den Erwachsenen in der ganzen Zeit immer wieder ein gewisses Unbehagen auftauchte. Es war so etwas wie ein Gefühl, doch nicht so richtig zuständig zu sein oder die geweckten Erwartungen nicht wirklich erfüllen zu können. Vielleicht waren wir uns trotz guter Vorbereitung über das Ziel unserer Arbeit nicht so richtig im Klaren. In den Erfahrungsberichten über die Arbeit in den Gruppen heißt es an einer Stelle: „Nur beim Thema Sexualität taten wir uns schwer. Das wurde deutlich, als wir über unsere persönlichen Erfahrungen sprechen wollten. So blieben wir bei diesem Thema etwas mehr an der Oberfläche.“ Nun braucht man sich wegen dieser Schwierigkeit ja sicher nicht zu entschuldigen. Denn wie man Partnerschaft lebt, ist ein extrem persönliches und intimes Thema, über das man nur in einem geschützten Bereich sprechen kann. Deshalb kann es sein, dass solche Gruppen dafür nicht der geeignete Ort sind. Die Absicht, Jugendlichen Hilfen für das Leben in der Ehe anzubieten, war trotzdem nicht völlig falsch. Aber wir hätten uns schon in der Vorbereitung über diese Grenze klar werden müssen. An den Stellen, wo wir bescheidener waren und Hilfen für den Weg zueinander angeboten haben, scheinen die Gruppen ja auch gut gelaufen zu sein. Dann hätte die  Überschrift also wirklich nicht „Partnerschaftsseminar“ heißen dürfen, sondern vielleicht „Miteinander leben lernen“.

 

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