34. Die Praxis der Gemeindeleitung

Wir kamen nach Hochdahl mit dem Auftrag, die zukünftige Pfarrei St.Franziskus aufzubauen. Wir haben zwischenzeitlich immer wieder darüber gesprochen, von wie viel Zufälligkeiten diese Beauftragung abhängig gewesen ist. Aber wir haben den Auftrag angenommen und danach nie ernsthaft in Frage gestellt. Und obwohl wir uns immer als Mitglieder der Gemeinde gefühlt und interpretiert haben, waren wir uns trotzdem bewusst, dass wir eine andere Aufgabe hatten als die vielen anderen Gemeindemitglieder. Wir sollten ja die Gemeinde leiten.  Dabei sind wir sicher auch nicht der Gefahr entgangen, uns manchmal wie die Herren zu benehmen. Vor allem meine lautstarken emotionalen Stellungnahmen haben oft die Gesprächsteilnehmer belastet. Ich hoffe aber, dass zwischendurch auch immer wieder erfahrbar geworden ist, dass wir uns eigentlich als Diener der Gemeinde verstanden haben.

 

 

Wie haben wir die Gemeinde geleitet? Dazu ist sicher in dem bisher Erzählten schon vieles angeklungen (Suchen und fragen – Wer mitmacht, erlebt Gemeinde – Gemeindekatechese – Team usw.). Hier soll es um einige Grundlinien gehen.

 

Wir haben an die Menschen geglaubt und das nicht nur theoretisch und grundsätzlich, sondern ganz konkret und praktisch. Wir haben daran geglaubt, dass jeder in der Gemeinde seine spezielle Gabe von Gott hat, die für den Aufbau der Gemeinde unverzichtbar ist. Und wir haben immer wieder einzelne Leute gefragt, ob sie nicht  bei der Vorbereitung auf die Sakramente, bei der Liturgie, bei der Verwaltung eine Aufgabe übernehmen wollten. Vielfach waren das Eltern von Kindern oder Jugendlichen, die sich auf Kommunion oder Firmung vorbereiteten. Oft waren es aber auch Männer oder Frauen, die uns in irgendeinem anderen Zusammenhang aufgefallen waren. Wenn jemand ablehnte – aus Zeitmangel oder auch ohne weitere Erklärung – haben wir das fraglos akzeptiert. Wenn jemand sich eine bestimmte Tätigkeit nicht zutraute, haben wir das miteinander besprochen und ihm Mut gemacht. Und die, die mitmachten, haben wir dann intensiv begleitet. Das hielten wir für eine wichtige Aufgabe, die wir als Leiter der Gemeinde hatten. Sehr erfreulich war, dass im Laufe der Jahre immer mehr Leute aus der Gemeinde auch in Leitungsfunktionen hineinwuchsen. Die „Begleitung der Begleiter“ bei Kommunion, Buße und Firmung war dann immer eine gemeinsame Arbeit von einem Geistlichen und ein oder zwei Mitgliedern der Gemeinde. Und vor allem bei der kindgerechten Gestaltung eines Themas, bei der Umsetzung in Bilder und Symbole, waren manche Laien dem Theologen haushoch überlegen. Das hat Spaß gemacht, sowohl dem Theologen als auch den beteiligten Katecheten. Manche Gruppen, wie zum Beispiel der Taufarbeitskreis, haben nie einen der offiziellen Gemeindeleiter für ihre Arbeit benötigt.

 

Wir haben an die Botschaft geglaubt. Kein Mensch wird die ganze Fülle der Botschaft Jesu in seinem Leben realisieren können. Wenn ich heute überlege, welche Elemente für mich wichtig waren, dann springt zuerst die Botschaft von der Kirche in den Blick. Wir haben daran geglaubt, dass man in der Kirche, so wie wir sie durch das Studium und das Konzil kennen gelernt hatten, leben konnte. Es war das Angebot einer Gemeinschaft, in der jeder mit seinen Möglichkeiten und tiefsten Wünschen zu Wort kommen konnte. Die Vielfalt und Verschiedenheit war nicht vor allem Problem, sondern gottgewollt und von unschätzbarem Wert. Und die Verheißung lautete, dass diese Verschiedenheit nicht zum Kampf aller gegen alle führen musste, sondern zu einem gegenseitigen Dienst. Was ist das für ein Kontrastprogramm zu der fast allein herrschenden Ideologie der gewaltsamen Beseitigung aller Unterschiede! Und in dieser Kirche sollte nicht mehr Über- und Unterordnung das wichtigste Verhaltensmuster sein. Befehl und Gehorsam sollten durch die gemeinsame Bereitschaft ersetzt werden, sich vom Geist Gottes führen zu lassen. Die skrupulöse Angst, sich gegen irgendeine moralische Vorschrift vergangen zu haben, sollte durch das kindliche Vertrauen auf den liebenden Vater geheilt werden. – Ebenso wichtig war die Erneuerung der Liturgie durch das Konzil. Ich habe in jungen Jahren noch die verkümmerten Formen der Messfeier erlebt. Der Priester vollzog zum Beispiel vorne am Altar leise das heilige Geschehen und im Kirchenraum beteten die Frauen den Rosenkranz. Als Jugendlicher habe ich – nicht ohne Anwandlungen von Stolz – die liturgischen Texte auf Deutsch vorgelesen, die der Priester gleichzeitig vorne lateinisch betete. Und die Erinnerung an das „Asperges me“, den immer gleichen Beginn des Hochamts, wenn der Priester Weihwasser versprengend von vorne nach hinten und wieder nach vorne ging, ruft bis heute ärgerliche Reaktionen hervor. Und demgegenüber der Vollzug des gemeinsamen Gottesdienstes, in der Muttersprache, für alle verständlich! Das Entscheidende war nicht mehr die vermeintlich ehrwürdige Geschichte, sondern das Leben heute in der aktuellen Begegnung mit dem lebendigen Gott. – Aus dem Studium blieb wichtig die zentrale Bedeutung der Heiligen Schrift. Ich bin relativ schnell davon losgekommen, die Bibel als „fromme Geschichten“ zu deuten. Was Heinrich Schlier in seinen Vorlesungen und Seminaren vermittelt hat, prägt mich bis heute. Und auch die samstäglichen Einführungen in den Sonntag durch Joseph Falke, den Direktor des Leoninums in Bonn, erschlossen die Botschaft für das Verständnis eines denkenden Menschen. Es sind heute natürlich Selbstverständlichkeiten, dass man die Eigenart biblischer Sprache, die literarische Eigenart eines Textes, die „Spitze“ eines Gleichnisses berücksichtigen muss, um die biblische Erzählung richtig zu interpretieren. Aber es bedarf nach wie vor einer beträchtlichen Anstrengung, um die Botschaft für uns heute fruchtbar zu machen.

 

Wir hatten einen verbindlichen Maßstab. Wir wollten nicht irgendeine Kirche, sondern eine Gemeinde nach dem Willen und den Vorstellungen Jesu Christi. Über dieses Fundament haben wir nie mit uns verhandeln lassen. – Wie weit es uns gelungen ist, die Gemeinde in Hochdahl nach der Botschaft des Evangeliums zu prägen, ist natürlich nicht  nachweisbar. In Gesprächen, die wir in den letzten Jahren geführt haben, wurden manchmal Zweifel laut, ob wir nicht zu hoffnungsvoll oder sogar selbstsicher gewesen sind. – An anderer Stelle tauchte manchmal der Vorwurf auf, wir hätten zwischen den in der Theologie formulierten Merkmalen der Gemeinde – Verkündigung, Liturgie und Diakonie – kein ausgeglichenes Verhältnis entstehen lassen. Die Verkündigung habe die Gemeinde in entscheidendem Maße geprägt. Dabei sei die Diakonie deutlich zu kurz gekommen. „Wir kümmern uns um die Ärmsten der Armen“, ließ sich dazu eine Stimme aus dem SKFM hören. Ich habe das als Kritik aufgenommen und die Aussage hat mich beunruhigt. Aus der Distanz von heute glaube ich, dass es durchaus richtig war, wenn die Verkündigung im Vordergrund stand. Denn das bedeutet doch, dass die Botschaft des Glaubens der Maßstab der Seelsorge ist. Dann hätte sich allerdings der Glaube in der Liebe zeigen und verwirklichen müssen. Wenn das im Gesamtbild der Gemeinde nicht so deutlich sichtbar geworden ist, dann hat vielleicht doch etwas gefehlt. Allerdings sollte man bei dieser Betrachtung nicht vergessen, dass nicht alles, was an  gegenseitiger Hilfe und an Beistand in Notfällen geschieht, auch an die Öffentlichkeit dringt.    

 

Manches, was möglich gewesen wäre, haben wir nicht gewollt. Als Gerd Verhoeven und ich in München studiert haben, gingen wir manchmal um 10 Uhr nach St.Michael in den Gottesdienst. Und es hieß, viele der Gottesdienstbesucher kämen mit dem Konzertführer unter dem Arm in die Messe. Denn die musikalische Gestaltung des Gottesdienstes hatte ein hohes Niveau. Manche Menschen begrüßen es, wenn sie eine solche Pflege der Schätze der Vergangenheit erleben dürfen. Und manche Gemeinden scheinen sich diesen Dienst ausdrücklich auf ihre Fahnen geschrieben zu haben. Das war nicht unsere Vorstellung von der Aufgabe der Gemeinde. Der Auftrag Jesu: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ ist der Grund, weshalb wir Gottesdienst feiern. Und Musik – und alle Kunst – hat ihre Berechtigung, wenn sie dieser Erinnerung dient. – Ähnlich war unser Bewertung der religiösen Bedürfnisse der Gläubigen. Vor Jahren unterhielt ich mich mit einem Kollegen über die richtige Form der Seelsorge. Er meinte, die Leute brauchten den „Stallgeruch“, um sich in der Kirche wohlzufühlen. Etwas Ähnliches taucht für mich auf, wenn in katholischen Gegenden landläufig mehr „Feierlichkeit“ gewünscht wird. Der „fromme Schauer“, der einem den Rücken hinunterläuft, ist dann nicht mehr fern. Es geht nicht darum, Bedürfnisse grundsätzlich schlecht zu machen. Aber die Gefahr ist groß, dass die tieferen, eigentlichen  Bedürfnisse zugeschüttet werden, wenn man allzu leichtsinnig auf Emotionen setzt. – Auch gegenüber der politischen Verantwortung der Gemeinde war ich sehr skeptisch. Wir haben zwar in den Ausschüssen des Stadtrates mitgewirkt, aber ich habe dieser Tätigkeit nie allzu große Bedeutung beigemessen. Dahinter stand die Vorstellung, dass wir das Beste für die Stadt tun würden, wenn wir unseren eigentlichen Auftrag nach Kräften erfüllen. – An anderer Stelle wurde schon erwähnt, dass wir auch gegenüber den kirchlichen Lebens- und Organisationsformen der letzten Jahrhunderte sehr zurückhaltend waren. Der Verbandskatholizismus und das kirchennahe oder kirchenferne Vereinsleben schien uns für die neue Stadt nicht zukunftsfähig zu sein. Wir wünschten uns Gemeinschaften, die sich auf dem Boden der Gemeinde aus der Kraft des Glaubens finden würden

 

Wir haben nicht für die Menschen gedacht, sondern mit ihnen. Als Beispiel kann das Heft der Aspekte „Zu Millrath-Ost“ von Januar 1981 dienen, aus dem schon an anderer Stelle das Gemeindekonzept zitiert wurde. Dieses Heft diente der Vorbereitung einer Pfarrversammlung, bei der über die Frage diskutiert und entschieden werden sollte, was aus dem Bauvorhaben Millrath-Ost werden sollte. Die Redaktion der Aspekte schrieb zur Einleitung: „Diese Entscheidung sollte nicht von einigen Wenigen getroffen werde, von der Gemeindeleitung, dem Pfarrgemeinderat oder Kirchenvorstand, oder von denen, die immer vorne dabei sind.  Je größer die Beteiligung der Gemeinde, umso besser (auch deshalb, weil die finanzielle Belastung von einigen wenigen überhaupt nicht zu verkraften ist).“ Und dann folgen in dem Heft sehr vielfältige Informationen und Überlegungen, damit die Mitglieder der Gemeinde sich ein Bild machen und eine möglichst sachgerechte Entscheidung treffen können. Und die Gemeinde hat die Aufforderung zum Mitdenken und Mitentscheiden aufgenommen. Ein großes Interesse an dem Bau, eine sagenhafte Spendenfreudigkeit und ein Unmaß von freiwilliger Arbeitsleistung waren das Ergebnis. Und für viele war deshalb nach der Fertigstellung das Roncalli-Haus „Unser Haus“. – Dieses Vorgehen haben wir an vielen Stellen praktiziert. Stießen wir als Gemeindeleitung auf eine wichtige Frage, dann haben wir natürlich auch im Team, im Pfarrgemeinderat oder Kirchenvorstand darüber diskutiert. Aber immer wieder haben wir dann die Gemeinde  informiert und gemeinsam nach der Antwort gesucht. Den Leuten nur fertige Lösungen zu präsentieren, hielten wir für eine Missachtung der „mündigen Christen“. – Und wenn wir uns vor Ostern zur Vorbereitung der Kar- und Ostertage zusammensetzten, kam keiner mit einem fertigen Konzept oder gar einem ausgearbeiteten Ablauf – weder der Pfarrer noch sonst einer der Teilnehmer. Was hätte dann auch der Heilige Geist oder unsere Kreativität noch für eine Chance gehabt? Es ging um die Frage, wie wir Sterben und Auferstehung Jesu in diesem Jahr verstehen könnten – und dann haben wir danach gesucht, wie wir es deuten und formulieren und in Bilder bringen konnten.

 

Wir wollten ermutigen, nicht kontrollieren. Das Motto „Wer mitmacht, erlebt Gemeinde“ war für diese Haltung eine griffige und einprägsame Formulierung. Da die Mitglieder der Hochdahler Gemeinde von Anfang an sehr intensiv miteinander im Gespräch waren, tauchten natürlich auch viele Ideen und Wünsche auf. Aber dieses Gespräch war auch eine Möglichkeit der Klärung. Allzu viele abwegige Vorstellungen sind nach meiner Erinnerung überhaupt nicht formuliert worden. Und wenn es einmal vorkam, dann konnte man damit rechnen, dass im Miteinander Brauchbares und Unbrauchbares erkennbar wurde. – Wir selbst waren in dieses Gespräch immer eingebunden und haben auch viel „Ermutigendes“ hinein gegeben, Anregungen durch die Verkündigung, durch eine lebendige Liturgie, durch Lieder und Texte und durch die vielen anderen Möglichkeiten  der normalen Seelsorge. Die Mitglieder der Gemeinde zu kontrollieren, kam uns nicht in den Sinn. Wir hatten die ganzen Jahre hindurch kaum Ängste, dass im Glauben und Leben der Menschen etwas so schwerwiegend falsch wäre, dass man es nur durch hartes Eingreifen und nicht durch Argumente in Ordnung bringen könnte. Es gab allerdings Stimmen, die uns gerade diese Zurückhaltung zum Vorwurf gemacht haben. Sie hätten sich bei bestimmtem – vor allem moralischem – Fehlverhalten eine eindeutigere Stellungnahme gewünscht. Wie auch immer. Vielleicht waren wir manchmal auch etwas zu vorsichtig, weil wir die Leute nicht vergraulen wollten. Sicher entsprang unsere Haltung aber auch einer großen Hochachtung vor der Eigenverantwortung der Menschen. – Wenn Gemeindeleiter diese Haltung über Jahre durchhalten, kann in einer Gemeinde eine vertrauensvolle Atmosphäre entstehen. Und wenn dann ein Nachfolger in der Leitung der Gemeinde sich darüber dankbar wundert, dass die Leute offen und rücksichtsvoll mit ihm umgehen, dann darf  man wohl darauf hinweisen, dass sie eine solch vertrauensvolle Beziehung zu ihren Seelsorgern gewohnt sind. – Es hat auch immer wieder mal „geknallt“. Das heißt, wir haben trotz des guten Einvernehmens oft auch deutlich unsere Meinung gesagt. Ich erinnere mich an einige Situationen im Kirchenvorstand. Da bringen ja Menschen ihre beruflichen Fähigkeiten für die Leitung und Verwaltung der Kirchengemeinde ein. Und da musste dann schon mal gesagt werden, dass in einer Kirchengemeinde das eine oder andere nicht gestattet ist, was im normalen Leben allenthalben praktiziert wird.

 

Wir haben die Freiheit der Menschen respektiert. Es hat im Laufe der Zeit viele Menschen gegeben, die mit dem nicht einverstanden waren, was wir für richtig hielten. – Da waren zum Beispiel die Eltern aus Schlesien, die ihre Kinder unbedingt vor der Kommunion zur Beichte führen wollten. Ich habe heftig geredet, um ihnen nahezubringen, weshalb wir das als Gemeinde nicht tun. Und ich habe auch gesagt, dass ich es nicht richtig finden würde, wenn sie eine Gruppe geschlossen zur Beichte führen würden. Denn die Gruppe leiten sie ja im Auftrag der Gemeinde. Aber ich habe mich gehütet, es einzelnen Eltern zu verbieten, wenn sie das eigene Kind beichten lassen wollten. Die Freiheit der Eltern in der Erziehung ihrer eigenen Kinder war mir wichtig. – Ein weniger grundsätzliches Beispiel: natürlich wussten wir, dass manche Hochdahler immer wieder (oder auch regelmäßig?) gern nach St.Max in Düsseldorf zum feierlichen Hochamt gingen. Die Freiheit dazu hat ihnen natürlich niemand abgesprochen. – Ganz entscheidend war die Frage nach der Freiheit des Einzelnen beim so genannten „Kontaktdienst“(Nr. 22). Wir hatten natürlich den Wunsch, dass alle Hochdahler Katholiken mit den Kontaktdienst-Besuchern ins Gespräch gekommen wären. Und wenn die Besucher dann erzählten, wie oft die Türen verschlossen blieben oder die Aspekte vermutlich sofort in dem Papierkorb neben dem Hauseingang gelandet sind, dann hatten wir kritische Empfindungen gegen diese Mitbürger. Eigentlich hätte der Respekt vor ihrer Freiheit stärker sein müssen als die Enttäuschung über ihre Unzugänglichkeit. – Und selbst wenn mir einer begegnet, der meinen Glauben ablehnt, dann darf ich ja, wenn er es zulässt, mit ihm diskutieren; aber ich darf ihn nicht ablehnen, wenn er unzugänglich bleibt. Seine Freiheit ist zu achten. Denn Glaube ist nur in Freiheit möglich; jede Form von Manipulation, Überredung oder Anpassung führt zu einem Ergebnis, das nicht Glauben ist.    

 

Ein Angebot zum Nulltarif hatten wir nicht. Jahrelang ist über das Ende der Volkskirche geredet worden und manche meinten, jetzt könne sich die Kirche „gesund schrumpfen“. Ich glaube nicht, dass wir das Recht haben, im Verlust des Glaubens bei so vielen Menschen eine positive Entwicklung zu sehen. Wir haben jedenfalls diese Situation als Anforderung erlebt. – Wenn das Milieu nicht mehr trägt, müssen die Menschen wissen, was und warum sie glauben. Unser Ziel waren die „mündigen Christen“. – Nach dem Weggang von Hans Meixner kam für ihn kein Nachfolger mehr nach Hochdahl. Als Grund wurde der wachsende Priestermangel genannt. Wir haben versucht, die Gemeinde auf die priesterlose Zeit vorzubereiten. –Irgendwann konnten wir nicht mehr damit rechnen, dass die Kinder in der Familie in die Anfänge des Glaubens eingeführt werden. Wir haben versucht, sie durch Gottesdienst und Katechese ein wenig mit Jesus Christus und der Gemeinschaft der Glaubenden vertraut zu machen. – Das erfordert natürlich viel Mühe und kostet eine Menge Zeit und Kraft. Aber unverantwortlich ist es, so zu tun, als ob man sich gar nicht besonders anstrengen müsste. Manchmal kann man den  Eindruck haben, dass es unter den Christen so etwas wie eine frustrierte Müdigkeit gibt. Die äußert sich auch in dem verbreiteten Argument, alle seien in Beruf und Familie schon bis an die Grenze gefordert und könnten deshalb nicht noch zusätzlich Kinder und Jugendliche in der Vorbereitung auf die Sakramente begleiten. Und die Zukunft der Kirche ist garantiert, wenn wir ein bisschen wie bisher weitermachen? – Mit dem Aufbruch des Konzils hätten wir die Krise der Kirche in Europa vielleicht abfangen können (eine persönliche Überzeugung eines einfachen Dorfpfarrers). Das hätte allerdings eine intensive Auseinandersetzung und einen massiven Einsatz gefordert. Man blieb lieber beim Alten und Gewohnten – auch weil es bequemer war? – Auch in Hochdahl gab es Stimmen, die die Vorbereitung von Erstkommunion, Buße und Firmung mit weniger Aufwand betreiben wollten. Das sei modern und nehme die Lebensumstände der Menschen ernst. Wir glaubten, dass man den Glauben nicht an der Ecke kaufen oder als billige Zugabe beim Erwerb eines Handys einstecken kann. Der Glaube erschließt sich nur dem, der sich müht. Und manchmal ist ein langer Weg nötig, bis man hier und da versteht, wie das ist mit Gott und der Welt und dem eigenen Leben.  

 

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