30. Eine Gemeinde wird Heimat

Wir leben in einer mobilen Gesellschaft. Will man ins Kino gehen, sucht man sich einen Film aus, steigt ins Auto und fährt dahin, wo der Film gezeigt wird. Will man einkaufen, besteigt man ebenfalls das Auto und fährt zum Laden, wo man das findet, was man haben möchte. So lebt man heute und auch die Kirche muss oder kann solches Verhalten voraussetzen, wenn es um den Gottesdienst oder sonstige kirchliche Angebote geht. Die Vorstellung von einer Gemeinde, in der man zusammen lebt, ist Romantik von vorgestern. So die modernen Propheten!

 

Eine leitende Mitarbeiterin im Hochdahler Hospiz verabschiedete sich, um eine neue Tätigkeit anzutreten. Sie bedankte sich bei mir, dass sie so schnell in der Gemeinde heimisch geworden sei, als sie einige Jahre vorher nach Hochdahl kam. Ich war mir nicht darüber im Klaren, dass ich dazu etwas beigetragen hatte. Doch! Ich hätte sie kurz nach ihrer Ankunft in Hochdahl gefragt, ob sie bei der Firmbegleitung mitmachen möchte. Das sei für sie die Möglichkeit gewesen. – In der Tat war die Firmbegleitung eine der zahlreichen Chancen, in Hochdahl Leute kennen zu lernen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen über das eigene Leben und den eigenen Glauben. Vor allem die Phase der Vorbereitung vor dem Beginn der Gruppenarbeit war dazu sehr hilfreich. Das Programm sah in dieser Phase drei Treffen vor, ein Abend, ein Samstag und ein Wochenende. Das Wochenende war kurz vor Beginn der Gruppenarbeit mit den Jugendlichen. Von Freitagabend bis Sonntagnachmittag ging es intensiv um die Thematik; die Begleiter wollten sich darüber klar werden, wie sie die Arbeit mit den Jugendlichen anpacken sollten. Und sie wollten auch zueinander finden, auch weil sie zum Abschluss sich mit zwei anderen Leuten zum Begleiterteam zusammenfinden mussten (zur Firmvorbereitung ausführlich Nr.59). Nach einem solchen Treffen herrschte in der Begleiterrunde oft eine ausgesprochen euphorische Stimmung. Und was immer wieder staunend genannt wurde: Leute, die sich vorher kaum oder gar nicht gekannt hatten, wuchsen in so kurzer Zeit zu einer tragfähigen Gemeinschaft zusammen. Und das „Ja“ zu dieser Gemeinschaft hielt auch, wenn die Arbeit sich als mühsam oder enttäuschend erwies. – Was in der ganzen Gemeinde Menschen immer wieder so zusammenführte, waren die unzähligen Gespräche, Diskussionen und gemeinsamen Erlebnisse – in der Katechese, in der Vorbereitung des Gottesdienstes, bei Fest und Feier usw. Und das ist keine Romantik von vorgestern, sondern reale Erfahrung. Und eine beglückende Erfahrung, weil dadurch Heimat im Glauben und in der Kirche möglich wurde.

 

Manchmal klagen Neuzugezogene nach einiger Zeit darüber, sie würden keinen Zugang zur Gemeinde oder zu einzelnen Gruppen finden. Diese Klage gab es natürlich auch in Hochdahl. Aber wenn es viele Aufgaben und Gruppierungen gibt, hat man sicher eher eine Möglichkeit Anschluss zu finden. Übrigens ist der Weg über die Mitmachmöglichkeiten auch recht clever: die Leute finden Heimat und gleichzeitig sind viele bereit, sich für die Verlebendigung der Gemeinde einzusetzen. Im Prinzip ist beides für wache Menschen wichtig.

(Zum Thema vgl. auch: Wohlwollende Vertrautheit. Nr.60)

 

Zurück