28. Eine Gemeinde lernt …

Wir haben Menschen in der Gemeinde ermutigt, eine Gruppe von Kommunionkindern oder eine Gruppe von Jugendlichen in der Vorbereitung auf die Firmung zu begleiten, indem wir ihnen vermittelt haben: 1. Ich traue dir zu, dass du das schaffst, und 2. Alles, was du dazu brauchst, werden wir gemeinsam erarbeiten. – Man darf niemanden in eine verantwortungsvolle Aufgabe hineinwerfen und es dann ihm allein überlassen, wie er damit klar kommt. Eine gemeinsame intensive Vorbereitung für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist unverzichtbar. Das bedeutet aber, dass diese Tätigkeit einen tief greifenden Lernprozess fordert und ermöglicht. Und dieser Lernprozess ist nur dann ein gemeinsamer, wenn auch der „Theologe“ nach jedem Abend etwas dazu gelernt hat. Wer wollte, konnte in Hochdahl in Bezug auf seinen Glauben sehr viel lernen. Manche werden einen ganz neuen und beglückenden Zugang zum Glauben gefunden haben.

 

Die größten „Lernerfolge“ hatten wir zweifellos im Zusammenhang mit der Gemeindekatechese. Jedes Jahr fanden sich etwa 20 bis 30 Personen, die sich bereit erklärten, Kinder auf dem Weg zur Erstkommunion zu begleiten. Viele von denen machten anschließend im Bußkurs weiter. Später – ab 1977 – waren jedes Jahr knapp 20 Begleiter bei der Firmvorbereitung tätig. Und wenn man mit jeder Gruppe jedes Jahr neu und intensiv um die richtigen Einsichten und den richtigen Weg ringt, dann wächst im Laufe von vielen Jahren ein großer Schatz an Erkenntnissen,  Fähigkeiten und Bereitschaft. Und wo ich persönlich in dieses Ringen eingebunden war, habe ich es einerseits zwar als Arbeit und Mühe erlebt, aber viel entscheidender als Nahrung für die Seele. – 1978/79 kam noch ein anderer Kreis dazu, der die Eltern bei der Vorbereitung auf die Taufe ihrer Kinder unterstützte. Dieser Taufarbeitskreis war allerdings stabil; die Teilnehmer wechselten nicht jedes Jahr (vgl. Nr.49, Gemeindekatechese 4, Taufarbeitskreis). Aber die Vorbereitung auf diese Tätigkeit war genau so anspruchsvoll wie bei den anderen Kreisen. Bevor die Gespräche mit den Eltern begannen, haben sich 15 Gemeindemitglieder ein Jahr lang regelmäßig getroffen. Ernst Werner von der Abteilung Gemeindekatechese der Diözese hatte die Leitung bei diesem Kurs. Und während der ganzen Jahre, in denen die Mitglieder des Kreises die Eltern begleiteten, war die Auseinandersetzung mit dem eigenen Glauben und mit den Formen und Grundlagen ihrer Arbeit selbstverständlich. Einmal im Jahr fuhren sie nach Rinsecke, wo sie Wolfgang Kraft bei seinen biblisch-theologischen Vorträgen mit offenem Herzen zuhörten (!). Drei- oder viermal im Jahr traf sich der Kreis in Hochdahl, um Erfahrungen auszutauschen und erneut nach den richtigen Themen und Methoden zu suchen.

 

Die Verkündigung im Sonntagsgottesdienst kann man sicher auch unter dem Gesichtspunkt eines Lernprozesses sehen. Eine einzelne Predigt wird wahrscheinlich keine große innere Entwicklung beim Hörer in Gang setzen. Aber immer wieder haben Gemeindemitglieder erwähnt, dass sie beim Mittagstisch noch über die Predigt diskutiert hätten. Vielleicht trägt das dann doch über die Jahre dazu bei, dass der Glaube und die theologischer Kompetenz wachsen.

 

Wie bei der Vorbereitung der Gottesdienste für Kinder waren auch die Jugendmessen Anlass, sich über Thema und Inhalt der Verkündigung im Gottesdienst intensiv Gedanken zu machen. Die Zahl der Jugendlichen, die dabei beteiligt waren, war zwar normalerweise nicht sehr groß. Aber vielleicht hatte das sogar zur Folge, dass die Gespräche intensiv wurden.

Es wurde schon erwähnt, dass 1971 die Gemeinden eingeladen waren, in Gesprächskreisen die Themen der Würzburger Synode zu besprechen. Dazu gab es gutes und ausführliches Arbeitsmaterial.  In den Ehekreisen haben wir intensiv miteinander überlegt und diskutiert. Und wir haben dabei manches gelernt.

 

In der ersten Hälfte der 70-er Jahre kam uns eine Situation im Bereich der Schule entgegen. Für die Grundschule und den Sekundarbereich eins gab es nicht genügend Lehrer, die Religionsunterricht geben konnten. Die Schulverwaltung war bereit, Katecheten mit einer kirchlichen Ausbildung als Religionslehrer einzusetzen. Eine ganze Reihe von Mitgliedern der Hochdahler katholischen Gemeinde war bereit, eine solche Ausbildung mitzumachen. Und der Kurs war so aufgebaut und ausgerichtet, dass die Teilnehmer anschließend befähigt waren, in der Schule tätig zu werden. Diese Chance hat nicht lange Bestand gehabt, weil die Schulverwaltung verständlicherweise bemüht war, im Laufe der Zeit den Religionsunterricht wieder durch die Lehrer erteilen zu lassen. Einige hatten allerdings die Möglichkeit, auch danach als Religionslehrer in der Schule zu bleiben.

 

Die Bereitschaft, sich mit seinem Glauben zu beschäftigen und über die Erkenntnisse aus Kindertagen hinauszukommen, war in der Hochdahler Gemeinde die ganzen Jahre über sehr groß. Von vielen wurde deshalb die Gelegenheit genutzt, die die beiden Fernsehserien 1980 und 1984 anboten. Das Thema der ersten Sendereihe lautete: „Warum Christen glauben“. In den „Aspekten“ von Dezember 1979 wird die Art der Darstellung so beschrieben: „Die Sendungen versuchen durch Spielhandlungen und Dialog Fragen und Probleme des jeweiligen Themas aufzureißen und Ansätze für die Beantwortung zu bieten. Die kritische Besinnung ist in die Spielhandlung so eingebaut, dass die Akteure selbst Argumente für und gegen eine bestimmte Glaubensüberzeugung oder Lebenseinstellung einbringen.“ Eine solche Darstellung verlangte nach einer weiteren Diskussion. Deshalb wurden Begleitgruppen gebildet, in denen die Teilnehmer über die Sendung und die dort angeschnittene Thematik sprechen konnten. Als Arbeitsmaterial gab es ein Lese- und Arbeitsbuch, das Anregungen und Hilfen beim Selbststudium oder für die Begleitgruppe geben sollte. Dieses „Angebot im Medienverbund“ – wie es hieß – war eine gelungene Sache. Es ging nicht um fertige Antworten, es ging nicht um Katechismuswissen. Die Vielfalt des Lebens wurde ernst genommen und die „Gemeinde Jesu Christi“ suchte im Austausch und Gespräch ihren Weg.

Die Beteiligung war groß. Ungefähr 150 katholische und evangelische Christen machten mit. Zum Teil waren es schon bestehende Gruppen, aber bei dem ersten Treffen aller Interessierten in der Sandheider Kirche konnte man sich auch zu neuen Gruppen zusammenfinden. Manche Beziehungen, die bei diesen Gesprächen entstanden sind, blieben lange lebendig. Und der Zeit- und Arbeitsaufwand wurde nicht als Belastung empfunden – immerhin hatte die Sendung 13 Folgen!

Die zweite Fernsehserie, die 1984 ausgestrahlt wurde, hatte den Titel „Christsein im Alltag“. Es ging um das richtige christliche Verhalten. In sechs Folgen wurden Szenen aus dem Alltag dargestellt, in denen Menschen vor der Frage standen, wie sie sich entscheiden sollten. Die Situation war immer komplex und in keiner Szene war schnell zu erkennen, was richtig war.  Deshalb lag der Schwerpunkt wieder auf den Gesprächen in den Begleitgruppen. Und dabei wurde den Teilnehmern deutlich, wie schwierig heute der Weg ist, wenn man moralische Normen erkennen und richtiges Verhalten praktizieren will. Das Auswendiglernen der 10 Gebote beseitigt ja nicht alle Unklarheiten und das Leben ist nicht einfach schwarz oder weiß. Und man findet sich oft in Situationen wieder, die vielschichtig, undurchsichtig und verwirrend sind. – In diesem Bereich hätte die Gemeinde ein großes Lernprogramm durchlaufen müssen. Schon am Schluss des Artikels über die Erfahrungen mit der Fernsehserie („Aspekte“ Dezember 1984) steht der Satz: „Über Fragen des Glaubens wird in dieser Gemeinde schon relativ oft gesprochen. Die Fragen christlichen Handelns stehen demgegenüber selten zur Debatte. Eine Aufgabe für die Zukunft.“ – Diese Aufgabe haben wir nicht erfüllt.

 

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