26. Ökumene 2

Im Jahr 1974 beschlossen die evangelische und die katholische Kirchengemeinde in Hochdahl eine „Ökumenische Grundsatz-Vereinbarung“. Diese vertragliche Bindung war einerseits das Ergebnis von mehreren Jahren intensiver Beratung und Klärung in der Zusammenarbeit der beiden Gemeinden, andererseits verbindliche Leitlinie für die Zukunft.

Zu diesem Zeitpunkt war im Zusammenleben der beiden Gemeinden schon viel geschehen. Der Reformationstag 1968 markierte den Punkt, von dem ab ein gemeinsamer Weg auch nach außen sichtbar wurde. Damals begann das Ökumenische Bildungswerk seine Arbeit, die evangelische Gemeinde stellte das Paul-Schneider-Haus für einen regelmäßigen Sonntagsgottesdienst der katholischen Gemeinde zur Verfügung. Schon vorher hatten die beiden Pfarrer Reinhard Berchem und Hans Meixner mit vielen Initiativen die Annäherung der beiden Gemeinden betrieben. 1972 wurde auch in der Neanderkirche eine regelmäßige katholische Vorabendmesse möglich. Und zur gleichen Zeit traf die katholische Gemeinde schon die Entscheidung, in Millrath-Ost keine Kirche mehr zu bauen und stattdessen das großzügige Angebot der evangelischen Gemeinde im Paul-Schneider-Haus auf Dauer zu nutzen.

In den Jahren, von denen hier die Rede ist, haben wir in Hochdahl einen intensiven ökumenischen Aufbruch erlebt. Das war  - zumindest in der katholischen Kirche – vor allem eine Folge des Konzils. Der neue Frühling, den Johannes XXIII. der Kirche gewünscht hatte, brachte auch eine deutlich andere und neue Beziehung zwischen den Konfessionen. In der unmittelbaren Begegnung war es dadurch möglich, dass die alten festgefahrenen Vorurteile zurücktraten zu Gunsten einer vertrauensvollen gegenseitigen Wertschätzung. – In Hochdahl hatten wir für diesen Aufbruch sehr günstige Bedingungen. Im Endausbau der neuen Stadt mussten ja für beide Gemeinden die Strukturen und Einrichtungen vorhanden sein, die sie für ihre pastorale Arbeit brauchten. Und um dieses Ziel zu erreichen, war eine intensive Zusammenarbeit zwischen den Konfessionen und mit der Stadtplanung und der Entwicklungsgesellschaft nötig. Auch durch dieses Bemühen wuchs bei uns die Ökumene. – Eine solche lebendige Begegnung war zu der Zeit in vielen Städten möglich. Vor allem in Neubaugebieten wurde über neue Formen des Zusammenlebens nachgedacht. Es ging dabei immer wieder auch um die Frage, wie man ökumenische Kirchen- und Gemeindezentren bauen und gestalten könne. Und es hat an vielen Orten in ganz Deutschland zahlreiche solche Versuche gegeben. In den meisten Fällen entschied man sich dabei für eine so genannte „additive Lösung“. Das bedeutete, dass die beiden Gemeinden zwei aneinander grenzende Grundstücke erwarben und dann ihr jeweils eigenes Haus bauten. Das Gemeinsame konnte dann ein gemeinsames Dach oder vielleicht ein gemeinsamer Eingangsbereich oder auch nur die gemeinsame Brandmauer sein. Manchmal war es auch ein öffentlicher Platz, der das Verbindende zwischen getrennten Gebäudekomplexen darstellte. Das ist allerdings eine Lösung, bei der das „Ökumenische“ des Bauens weniger deutlich wird. – Wir waren also mit vielen anderen evangelischen und katholischen Gemeinden auf ein gemeinsames Ziel hin unterwegs. Wir erfuhren davon durch die Berichte und Anregungen, die die Ökumenische Centrale in Frankfurt am Main herausgab. Das war die Geschäftsstelle der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland (AcK). Schon seit den ersten Nachkriegsjahren standen diese Institutionen im Dienst der ökumenischen Sache.

Wenn man den Text der „Ökumenischen Grundsatzvereinbarung“ heute liest, dann registriert man mit Wehmut oder mit immer noch dankbarer Freude, was damals in der Ökumene möglich war. Und man fragt sich mit einer gewissen Bangigkeit, woher die Verfasser ihren Mut und ihre große Zuversicht nahmen. Hatten sie vergessen, dass vor noch gar nicht so langer Zeit die Kinder auf dem Schulhof sich wegen ihrer unterschiedlichen Konfession mit Steinen bewarfen? Und hatten sie keine Angst davor, dass Gleichgültigkeit und Trott irgendwann in der Zukunft die Beziehungen zwischen katholischen und evangelischen Christen bestimmen würden?

Vielleicht war doch ein anderer Geist am Werk, wenn sie in der Einleitung die Grundlage für ihr Vorhaben beschreiben: „Im Bewusstsein der in dem einen gemeinsamen Herrn Jesus Christus begründeten Zusammengehörigkeit beider Kirchengemeinden und ihrer Glieder und geleitet von dem Wunsch nach umfassender Gemeinsamkeit …“. Wenn man daran glaubt, dass man auf einem solchen Boden steht, dann kann man mit Gelassenheit und Energie die Weichen für die Zukunft stellen.

Der folgende erste Abschnitt des Dokuments formuliert noch einmal die Absicht, eine enge Zusammenarbeit „bei der Erfüllung des eigentlichen Auftrags“ der beiden Gemeinden anzustreben. Die Möglichkeiten einer gemeinsamen Wahrnehmung spezieller Aufgaben in den Bereichen der Bildungs-, Jugend-, Alten- und Sozialarbeit sollen ausfindig gemacht werden. Davon erhoffen sich die Verfasser auch Einsparungen bei den zukünftigen Investitionen. – Über die Planung, Errichtung, Unterhaltung und Nutzung von Gebäuden und Räumen wollen beide Gemeinden sich gegenseitig fortlaufend unterrichten, gemeinsam beraten und entscheiden. – Die bewährte Praxis, der jeweils anderen Gemeinde Räume zu gelegentlicher oder dauernder Mitbenutzung zu überlassen, soll beibehalten und vertraglich abgesichert werden. – Bei Neubauvorhaben soll diese Möglichkeit schon vorher überlegt und gegebenenfalls eingeplant werden. Auch soll die Möglichkeit geprüft werden, Gebäude oder Gebäudeteile gemeinschaftlich zu planen, zu bauen und zu unterhalten. – Die Verfasser gehen davon aus, dass zur Verwirklichung der Grundsatzvereinbarung Einzelverträge abgeschlossen werden müssen.

Im zweiten Abschnitt des Textes geht es um die gemeinsame Errichtung eines Ökumenischen Zentrums im Hauptzentrum der neuen Stadt Hochdahl. In diesem frühen Stadium des Aufbaus der Stadt wird für dieses Zentrum eine sehr umfangreiche Liste von Funktionen und Angeboten aufgeführt. Dafür wollen die beiden Gemeinden im Stadtzentrum ein gemeinsames oder zwei benachbarte Grundstücke erwerben. In jedem Fall soll eine einheitliche Bebauung der gesamten Fläche sichergestellt werden. – Zum Schluss weisen die Verfasser darauf hin, dass diese Vereinbarung durch das Erzbischöfliche Generalvikariat und das Landeskirchenamt der ev. Kirche genehmigt werden muss.

Die Grundsatzvereinbarung wurde am 24.Juni 1974 vom Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde und am 8.Juli 1974 vom Kirchenvorstand der Katholischen Kirchengemeinde beschlossen. Und wie es dann mit der hoheitlichen Genehmigung weiterging, erzählt Gerd Verhoeven in den Aspekten vom September 1986 (wo auch die Grundsatzvereinbarung abgedruckt ist). Die Kirchenleitungen hatten Schwierigkeiten, vor allem das Generalvikariat in Köln. „Eine völlig neue, nichtssagende Fassung wurde im Generalvikariat erstellt und den Kirchengemeinden unterbreitet. Diese Fassung war unannehmbar. Es bedurfte einiger Briefe und einer sehr gründlichen Auseinandersetzung der Hochdahler Delegation unter Leitung von Dr.Kiefer (Pfarrgemeinderat) und Dr.Böckenförde (Kirchenvorstand) mit Kardinal Höffner und seinem damaligen Generalvikar Nettekoven, um den ursprünglichen Vertrag dann doch noch unter Dach und Fach zu bringen. Im September 1974 wurde er von beiden Kirchenleitungen unterschrieben.“   

 

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