18. Das Pfarrzentrum Heilig Geist wird eingeweiht.

Gut zwei Jahre nach der Grundsteinlegung im Dezember 1969 konnte im Februar 1972 das Pfarrzentrum Heilig Geist eingeweiht werden.

 

Die Kirche unterschied sich nicht wenig von dem, was man bisher als die Form von Kirchen kannte. Einige Leute hatten noch längere Zeit Schwierigkeiten, sich daran zu gewöhnen.

Vor allem die Tragkonstruktion für das Dach – ein MERO-Gerüst auf acht tragenden Säulen – provozierte noch längere Zeit die Frage: „Wann kommt denn das Gerüst aus der Kirche?“ Für viele war diese Konstruktion nicht von einem Baugerüst zu unterscheiden. Mir fiel die Schönheit dieser Idee des Architekten Gottfried Böhm nach einiger Zeit auf. Es war an einem frühen Abend. Die untergehende Sonne schien von Westen her durch das Lichtband zwischen Betonmauer und Dach. Und mein Blick fiel durch dieses Fenster auf die Bäume neben der Kirche. Und innen das Geflecht der Tragelemente und draußen das Geflecht der Zweige … !  Man kann natürlich nicht sagen, dass sich die Zweige nach innen fortsetzten – aber ich hatte den Eindruck: es passte zueinander. Bei einer anderen Gelegenheit berührte mich diese „Konstruktion“ noch mehr. Ein besinnlicher Abend „zwischen den Jahren“ – zwischen Weihnachten und Neujahr. Die Kirche war von vielen Kerzen erleuchtet – auf dem Boden, auf dem Altar, auf dem Taufbrunnen, vor dem Tabernakel. Und nach einiger Zeit ein langer Blick nach oben – in die Dunkelheit, in der sich das Gerüst leicht abhob! Und die Dunkelheit, der Raum war voller Geborgenheit und Geheimnis – nichts von Angst oder Bedrohung, die sonst so oft mit Dunkelheit verbunden sind.

 

Auch die „Biberschwänze“ waren oft Gesprächsgegenstand, aber durchweg mit einem interessierten bis staunenden Ton. Mit dieser uralten Sorte Dachziegeln hatte Professor Böhm nämlich ein schönes Muster für den Fußboden der Kirche gestalten lassen. Auch der Altar, der Tabernakel und der Taufbrunnen wurden damit aufgemauert. Wie sehr dieses „Design“ – wie man heute wohl sagen würde – Anklang fand, kann man daran erkennen, dass das Muster bis heute immer wieder als graphischer Hintergrund bei gedruckten Texten auftaucht. Es hat sich fast zu einem Erkennungszeichen für die katholische Franziskusgemeinde entwickelt.

Und wann kommt denn die Glocke in den Turm? Noch vor kurzem hat die evangelische Gemeinde nebenan sich einen kleinen Glockenturm mit einer kleinen Glocke geleistet – nach rund 40 Jahren. Gehört das denn nicht zu einer Kirche dazu? Und die stabile Betonkonstruktion von Heilig Geist hätte die Schwingungen sicher ohne Probleme verkraftet. Für mich war die Entscheidung gegen eine Glocke grundsätzlich und ich habe meine Meinung immer wieder massiv vertreten: „Keine Glocke für Heilig Geist“. Und warum nicht? Weil wir heute leben und nicht vor 200 Jahren. Damals wartete man bis es läutete, um dann in die Kirche zu gehen. Heute hat jeder eine Uhr. Und die Stimmung aus Kindertagen ist auch nicht mehr nachzuvollziehen: nachdem die Kinder am Samstag die Straße gekehrt hatten (auf dem Dorf), läuteten die Glocken den Sonntag ein. Eigentlich sollte es auch keinen Hahn auf dem Turm von Heilig Geist geben. Irgendwann erschienen aber die Leute aus unserer französischen Partnergemeinde mit ihrem Gastgeschenk und seitdem thront ihr Hahn in luftiger Höhe. Leider kann er sich nicht drehen, um wenigstens ab und zu einmal zu sehen, wo er herkommt.

 

Bei den ersten Gottesdiensten, bei denen wir in Heilig Geist mit dem Jugendchor gesungen haben, herrschte eine „tolle Stimmung“. Das war sicher auch eine Folge der neuen Lieder mit ihren mitreißenden Rhythmen.  Dabei waren wir uns durchaus der Gefahr bewusst, dass die Begeisterung zu bloßer „Stimmung“ werden konnte. Oft ist innerhalb des Chores der Satz gefallen: „Passt auf, dass ihr nicht euphorisch werdet!“ Zu dieser guten Atmosphäre trug aber sicherlich auch der Raum bei, der Raum der neuen Kirche. Wir standen mit dem Chor an der Seite, zwischen Eingangstür und Tabernakel, und hatten die übrige Gemeinde vor uns – damals noch von der Seite und nicht von vorne. Und genauso hatten wir den Altar und den Ambo vor Augen. Was gesagt und gefeiert wurde, daran konnten wir unmittelbar teilnehmen. Umgekehrt konnten die anderen einstimmen in das, was wir taten. Jeder hatte seine Rolle im gemeinsamen Vollzug. Im Rückblick kann man sagen: das war genau das, was ein wesentliches Ziel der liturgischen Erneuerung des Konzils war. Allen Gläubigen sollte eine lebendige und aktive Teilnahme („actuosa participatio“) an der gemeinsamen Feier möglich werden. Übrigens war es eine weitere geniale Idee des Architekten, dass er die seitliche Empore so eng bemessen hat, dass ein normaler Kirchenchor darauf nicht genug Platz hat. Unten konnten die Chöre leichter zu wirklichen Teilnehmern an der Feier werden – wenn sie es denn wollten und nicht etwa einen „Auftritt“ hatten.

 

Das Bild der Gemeinde, das wir hatten, war ein Bild einer Gemeinschaft aller Getauften und Glaubenden, in der jeder seinen Platz und seine Rolle hatte. Und in der neuen Kirche fanden wir einen Raum, der diesem Bild genau entsprach. Es ist schon eigenartig: woher hatte der Architekt seine Vorstellung, wie „Kirche“ nach dem Konzil gestaltet werden sollte? Eine Frage, die noch drängender wird, wenn man feststellt, wie viele Theologen von den Chancen und Veränderungen offensichtlich nicht viel mitbekommen haben. Lag das verlockend Neue vielleicht wirklich „in der Luft“? Und was man aufnahm, war dann davon abhängig, wie man atmete? – Die neue Kirche dient einem Gottesdienst, den alle Teilnehmer gemeinsam vollziehen. Der zentrale Punkt ist die Altarinsel mit dem Ambo und dem Altar – mit dem Tisch des Wortes und des Mahles. Und ringsherum sind die Plätze für die Teilnehmer – auf der einen Seite etwas mehr Plätze, auf der anderen etwas weniger. Und jeder, der es wünscht, hat einen unverstellten Blick auf die Mitte. Und wer auf einem der Stühle Platz nimmt, spürt unmittelbar, dass er in eine größere Gemeinschaft aufgenommen ist. Wer am Ambo oder am Altar spricht oder handelt, erreicht ohne große Anstrengung auch den Teilnehmer, der auf dem letzten Platz auf der langen Bank an der hinteren Mauer sitzt. An diese angenehme Überschaubarkeit des Raumes kann man sich gewöhnen. Das stellte ich fest, als ich nach Beginn des Ruhestands in der großen Basilika in Gerresheim die Messe feierte. Ich habe es nicht oft getan. Der Raum war mir viel zu groß. Und da begann ich erst zu verstehen, wie wichtig eine kleinere Kirche sein kann. Vielleicht entspricht das ja auch mehr der Situation im Abendmahl oder der Praxis der jungen Kirche, die sich zum „Brotbrechen“ in den Häusern versammelte. (Apg. 2,46)

 

Es gibt in dieser Kirche keinen Prozessionsweg. Es gibt keinen „Mittelgang“, auf dem der Zelebrant in wallenden Gewändern und mit zahlreicher Begleitung zum Altar geht. Aufmärsche sind in dieser Kirche nicht möglich. Bei bestimmten Gelegenheiten sind wir zwar auch durch einen der Haupteingänge in die Kirche gezogen, zum Beispiel wenn der Bischof zur Firmung da war. Aber dann hieß es immer: „Wie gehen wir nach vorne, durch den ersten oder den zweiten Gang?“ Beide Gänge, die den rechten bzw. linken Block der Stühle von dem mittleren trennen, laufen schräg auf die Altarinsel zu. Wir hätten auch keinen „normalen“ Weg bekommen, wenn wir die Stühle umgruppiert hätten. Der Raum hätte sich dem widersetzt. Denn der Weg von einer Seite der Kirche zur anderen ist in jedem Fall länger als jeder Weg von hinten nach vorne. – Der fehlende Prozessionsweg war sicher auch der Grund, weshalb Trauungen normalerweise nicht in Heilig Geist stattfanden. Abgesehen davon, dass viele Leute nur die Trillser Kirche als „richtige Kirche“ ansahen, brauchen viele Paare den langen Weg von hinten zum Altar, damit die Braut – am Arm des Vaters – langsam schreitend ihrem Bräutigam entgegengehen kann. Dieser Vorgang ist sicher mit vielen tiefen Empfindungen und wohl auch manch mythischen Vorstellungen besetzt. Diese Möglichkeit gibt es in Heilig Geist nicht. Der Raum dient eben sehr konsequent der Erfahrung und dem Vollzug von Gemeinschaft. 

Es gab in dieser Kirche keinen so genannten Priestersitz. Der Geistliche und die Messdiener saßen auf den gleichen Stühlen wie die Leute und zwar an der Seite und nicht auf erhöhtem Podium. Und wir waren bis zuletzt nicht in der Gefahr, die zunehmende Klerikalisierung von Kirche und Gottesdienst mitzumachen. Es kann doch niemand ernsthaft glauben, dass das Herausstreichen der Rolle des Priesters der Botschaft Jesu und dem Glauben der Menschen dient. Und wem dient die Ideologie, der Priester handle beim Gottesdienst „in persona Christi“ – dem Priester oder Jesus Christus? Nun ist Jesus Christus aber der Gastgeber und der einzig Bestimmende, der seine Gemeinde – mit ihren verschiedenen Rollen und Diensten – um sich versammelt. Es ist immer wieder dasselbe Elend, wie eine autoritär strukturierte Kirche die immer gleichen Probleme produziert.

Wer jetzt meint, sich wehren zu müssen, lese doch einmal im Evangelium nach: Mt 23, 8 – 12. Jesus hat vorher das großspurige Auftreten der Schriftgelehrten und Pharisäer kritisiert: „Alles, was sie tun, tun sie nur, damit die Menschen es sehn: Sie machen ihre Gebetsriemen breit und die Quasten an ihren Gewändern lang, bei jedem Festmahl möchten sie den Ehrenplatz und in der Synagoge die vordersten Sitze haben, und auf den Straßen und Plätzen lassen sie sich gern grüßen und von den Leuten Rabbi nennen.“ Es muss auffallen, wie Matthäus dann fortfährt. Jesus spricht zum Volk und seinen Jüngern: „Ihr aber …“ Der spät schreibende Matthäus hat offensichtlich Erfahrungen gemacht, dass seine Glaubensgenossen sich genau so verhalten wie die Schriftgelehrten und Pharisäer. Und dagegen wehrt er sich, weil er sicher ist, dass Jesus das nicht gewollt hat. „Ihr aber sollt euch nicht Rabbi nennen lassen; denn nur einer ist euer Meister, ihr alle aber seid Brüder. Auch sollt ihr niemand auf Erden euren Vater nennen; denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel. Auch sollt ihr euch nicht Lehrer nennen lassen; denn nur einer ist euer Lehrer, Christus.“ Diese Ermahnungen an die Jünger und damit auch an die Christen hat nur Matthäus, die beiden anderen Synoptiker nicht. Ich begreife nicht, wieso meine Kollegen diese Sätze anscheinend unbekümmert überhören. Und woher sie das Recht nehmen, die eigene Bedeutung so hoch aufzuhängen. Natürlich ist der Dienst des Geistlichen in der Gemeinde wichtig, aber als Dienst am Glauben der Menschen! (vgl. Nr.12, Suchen und fragen)

 

Die Heilig-Geist-Kirche öffnet sich hinter dem Altar mit einer breiten Fensterwand zum Hof hin. Dieser Übergang zwischen Innenraum und Hof ist gegliedert. Drei Flächen sind deutlich ein Stück nach vorne in den Hof hinein verschoben. Die mittlere ist mehrfach so breit wie die beiden rechts und links. Alle drei haben schräge Flanken, die zum Innenraum hin zurückgehen. Die beiden Achsen der kleinen Vorsprünge bilden im Innenraum der Kirche einen rechten Winkel und die breite Fläche ergibt zwischen ihnen eine schräge Verbindung. Wenn man sich diese Gestaltung vom Hof her genauer anschaut, dann wirkt sie sehr phantasievoll und gekonnt. Und wer möchte, kann auch den Eindruck haben, etwas wie eine Apsis erkennen zu können. Und wie an anderen Stellen in dieser Kirche wird man vorsichtig an etwas Altes erinnert und die neue Form ist keine billige Imitation! Die Fensterwand in Heilig Geist ist ein außergewöhnlicher Entwurf! Wenn man sie von innen bewusst und aufmerksam wahrnimmt, wirkt sie weit und offen. Und wenn man an einem hellen Tag von der Bank an der Rückseite der Kirche nach vorne schaut, dann kann man realisieren, wie sehr dieser Raum, samt Altarinsel mit Altar und Ambo, von dieser Idee des Architekten lebt… – Ich weiß nicht, ob es bei den vielen neuen Kirchen, die nach dem Krieg in Westdeutschland gebaut worden sind, eine irgendwie vergleichbare Gestaltung gibt. Bei den alten Kirchen wird man sowieso nichts Ähnliches finden. Das waren ja stets geschlossene – vielleicht auch bergende – Räume. Offen waren zeitweise nur die großen Portale, die die Menschen zum Eintreten aufforderten. Dass die Fensterwand mehrere Türen hat, scheint bei dieser Gestaltung einfach konsequent zu sein. Es drängt sich das Bild auf, wie nach dem Gottesdienst die Scharen der Gläubigen durch diese Türen auf den Hof strömen, vielleicht um ein fröhliches Pfarrfest zu feiern. – Anders als bei dem Gerüst, den Biberschwänzen oder der inneren Gliederung des Raumes habe ich mich mit dieser Fensterwand nie beschäftigt – und darüber sind mehr als 40 Jahre ins Land gegangen. Natürlich fand ich die Fenster gut, weil sie ja den Raum sehr hell machen. Aber statt sie richtig wahrzunehmen, habe ich mich nur an sie gewöhnt. Jetzt finde ich das sehr eigenartig. Ich kann mich auch nicht erinnern, irgendwann mit irgendwem über diesen interessanten Entwurf des Architekten gesprochen zu haben. –

Diskussionen gab es stattdessen über die Vorhänge an der Fensterwand. Denn die konnte man öffnen und zuziehen. Ich hatte lieber, wenn sie beim Gottesdienst geschlossen waren, während andere für  die Öffnung plädierten. Deswegen hat es immer wieder einmal Unstimmigkeiten gegeben. Wahrscheinlich war die unterschiedliche Einstellung vor allem eine Frage des Geschmacks oder eines natürlichen Gefühls für drinnen und draußen. Aber dann wurden die Debatten doch oft mit Theologie oder Ideologie aufgeladen. Hätten wir ein bisschen tiefer gebohrt, wäre das Problem wahrscheinlich zu lösen gewesen. Es geht ja um den Gottesdienst. Das, was dabei geschieht, ist einerseits die Feier der Glaubenden und Getauften, eine Feier der Gemeinde. Andererseits kann die Gemeinde die Eucharistie nicht wie einen Besitz für sich selbst beanspruchen. Was geschieht, ist immer auch ein Tun für die Anderen, für die Vielen, für alle Menschen. Was im Kelchwort des Abendmahlsberichts formuliert wird, ist der Maßstab, das Wort Jesu: „ Das ist … mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird zur  Vergebung der Sünden“. Für euch und für alle! – Die Debatte um die Vorhänge könnte man dann so entscheiden: für die Gemeinde wäre es gut, die Vorhänge zu schließen, für den Blick  auf alle Menschen sollten sie offen sein. Da es nur eine Feier ist, die beide Zielrichtungen enthält, müssten die Vorhänge sowohl offen als auch geschlossen sein. Diese Aussage ist unsinnig, wenn man „sowohl als auch“ mit „gleichzeitig“ verwechselt. Wenn man beide Zielrichtungen für verbindlich hält, darf man sich aber auch nicht für eine entscheiden und an dieser Auswahl hartnäckig festhalten. Stattdessen können die Vorhänge abwechselnd bei bestimmten Gelegenheiten offen und bei anderen geschlossen sein. Denn es ist ja zu vermuten, dass bei der Feier des Gottesdienstes manchmal die Geschlossenheit der Gemeinde wichtiger ist und manchmal der Blick auf die Welt und Umwelt im Vordergrund steht. Welche Gelegenheiten das sein können, wäre zu untersuchen. Im Gespräch in der Gemeinde könnten dabei ganz neue Gesichtspunkte erkennbar werden, sowohl über die Feier der Eucharistie und das Bild von Gemeinde, als auch über die vielfältigen Gemeinsamkeiten und  Beziehungen mit den Menschen weltweit. – Übrigens kennt die liturgische Tradition solche Wechselvorgänge immer schon. Vom Passionssonntag (wie er früher hieß) bis Karfreitag ist das Kreuz verhüllt – die liturgischen Farben wechseln oft und sehr selbstverständlich – es gibt unterschiedliche liturgische Gewänder für unterschiedliche Gelegenheiten. – Die Fensterwand, die also gar keine Wand ist, bekommt noch einen zusätzlichen Akzent! Der Architekt hat die Eingänge in die Kirche recht eigenartig gestaltet. (In dem Grundriss erkennbar oben links und unter rechts).  Auch das fällt den Besuchern wahrscheinlich gar nicht auf, weil man sich daran gewöhnt hat. Aber das sind ja nun wirklich nicht die offenen Tore der alten Kirchen. Eher wird man sie als enge Pforte bezeichnen müssen und vielleicht auch so empfinden. Enge Pforten? Sollen die vielleicht daran erinnern, dass der Zugang zur Gemeinde durch die Taufe geschieht, die nach Paulus ein Sterben und Auferstehen mit Christus ist? Mir scheint, dass der Kontrast zwischen den engen Eingängen und den Fenstern und Türen zum Hof hin die Gestaltung dieser „Fensterwand“ noch einmal sehr deutlich betont. Und die Fenster sind dann vielleicht auch nicht so sehr die Öffnung von innen nach außen, sondern mehr noch die Möglichkeit, dass das Licht und der Himmel und die Sonne von draußen den Raum erfüllen.   

 

Es gibt in Heilig Geist keine Pfeifenorgel. Wir meinten es nicht verantworten zu können, in diesen Zeiten für ein solches Instrument eine Unsumme Geld auszugeben. Wir entschieden uns für eine elektronische Orgel, die ihren Platz in der Nische zwischen Eingangstür und Tabernakel fand. Für die Lautsprecher hatte Professor Böhm leicht erhöht eine kleine Empore vorgesehen, auf der die rot gestrichenen Eternitröhren an einen Orgelprospekt erinnerten. – Die Entscheidung gegen eine Pfeifenorgel bedeutete gleichzeitig den Verzicht auf die Pflege der großen Werke der klassischen Kirchenmusik. Das war zu der Zeit nicht beabsichtigt, aber eine unvermeidbare Folge. Für Orgelkonzerte und Messen der Wiener Klassik braucht man eben ein gutes bis sehr gutes Instrument. Nie aufgegeben hätten wir demgegenüber die Sorge um einen würdigen Vollzug der gemeinsamen  gottesdienstlichen Feier. Der gemeinsame Gesang hatte dabei einen hohen Stellenwert. Dabei legten wir nie besonderen Wert auf einen Organisten mit hoher musikalischer Qualifikation. Der Dienst des Organisten war für uns eine der Aufgaben, durch die sich die Gemeinde lebendig und aktiv am Gottesdienst beteiligt. Er war Teilnehmer, nicht Künstler. Dementsprechend hatten wir über die ganzen Jahre auch immer wieder Gemeindemitglieder, die die Gemeinde im Gesang begleiteten ohne offizielle Ausbildung und Prüfung. Im Hintergrund steht hier die Frage, wie sich die Aufgabe der Kirche zur Pflege der Kultur verhält. – Die Freude an klassischer Musik war bei dieser Entscheidung nicht in Frage gestellt. Das lässt sich schon daran ablesen, dass das Sandheider Meisterkonzert seit fast vierzig Jahren Gastrecht in der Heilig-Geist-Kirche hat. Von einem Förderverein unterstützt sorgt Gabor Antalffy mit Ausdauer und Phantasie für regelmäßige Konzerte mit anspruchsvollem und interessantem Programm. Kultur in der Neuen Stadt!

 

Die Heilig-Geist-Kirche gewann für das Leben der Gemeinde schnell eine große Bedeutung. Und  es gab Gottesdienste, die in der Erinnerung unlösbar mit dieser Kirche verbunden sind. Erwähnt wurden schon die besinnlichen Abende „Zwischen den Jahren“. – Seit 1977 hatten wir jedes Jahr in Hochdahl Firmung. Der Gottesdienst fand immer in Heilig Geist statt. Die Erinnerung an diese Firmgottesdienste gehört bis heute zum Intensivsten, was sich aus der langjährigen Tätigkeit eingeprägt hat. Das lag sicher auch daran, dass in der Vorbereitungszeit sich starke Beziehungen zwischen Jugendlichen, Begleitern und Geistlichen entwickeln konnten, die dann in der Firmung für alle sehr lebendig gegenwärtig waren. Vorbereitung und Gottesdienst waren Vollzüge gemeinsamen Lebens. – Im Ablauf des Kirchenjahres war nicht nur theoretisch Ostern das höchste Fest. Viele Jugendliche und Erwachsene erlebten auch über viele Jahre hin die Feier der Osternacht in Heilig Geist als einen solchen Höhepunkt. Und auch wenn sie schon lange von Hochdahl weggezogen waren, kamen manche jedes Jahr für diesen Gottesdienst wieder zurück.

 

Im Hof des Pfarrzentrums Heilig Geist haben wir viele schöne Pfarrfeste gefeiert. Die drei Platanen sind inzwischen zu beträchtlicher Größe herangewachsen und spenden – wenn nötig – Schatten für solche Versammlungen. Bei Regen war es schon etwas schwieriger, alle Teilnehmer unter den Arkaden am Kindergarten unterzubringen. Deshalb wurde immer wieder überlegt, ob es nicht möglich sei, mit einer großen Plane den ganzen Innenhof zu überspannen. Dazu ist es allerdings nie gekommen. – Kirche,  Pfarrheim, Kindergarten, Küster- und Pfarrerwohnung gruppieren sich ringsherum. Ein öffentlicher Weg sorgt mit dafür, dass der Hof auch während der Woche nicht einsam und verlassen daliegt. Wenn der Kindergarten geöffnet ist, bringen Kinder und Eltern natürlich Leben auf den Platz.

 

Mit der Einweihung der Heilig-Geist-Kirche war schon im Jahre 1972 Planung und Aufbau der Räume für den Gottesdienst abgeschlossen. Wir hatten jetzt vier Orte, wo wir jeden Sonntag Gottesdienst feierten. Und die waren so günstig über die neue Stadt verteilt,  dass jeder Besucher einen der Gottesdienste zu Fuß erreichen konnte. Im Westen der Stadt gab es in Alt-Hochdahl die evangelische Neanderkirche und  in Trills die Franziskuskirche. Heilig Geist in Sandheide war sowohl für die Bewohner von Sandheide als auch für die Willbecker gut zu erreichen. Und die Millrather gingen ins Paul-Schneider-Haus. „Die Kirche“ war also mit ihrem Gottesdienst nahe bei den Menschen. Zwischenzeitlich tauchten zwar auch alte Bilder in der Diskussion auf, wenn einige Gemeindemitglieder überlegten, ob man denn nicht im Stadtzentrum einen  „Dom“ bauen sollte. Das Stadtzentrum war zu diesem Zeitpunkt noch im Zustand der Planung. Ganz ernst genommen wurden solche Überlegungen allerdings nicht – wohl auch nicht von denen, die sie ins Gespräch brachten. Denn einerseits war die Zeit vorbei, in der eine Stadt sich um einen Dom gruppiert und die Mehrheit der Bevölkerung die Kirche als Mittelpunkt des Lebens ansieht. Andererseits war mit der Entscheidung für Heilig Geist festgelegt, dass die Gemeinde mehrere kleinere Zentren haben würde. – Insgesamt gab es für ganz Hochdahl sieben Messen am Wochenende, zwei Vorabendmessen (in der Neanderkirche und in Heilig Geist), zwei Messen in Trills, zwei in Heilig Geist und eine im Paul-Schneider-Haus. Die Orte und Zeiten der Sonntagsgottesdienste blieben dann bis 2008 konstant, nur in den Sommerferien fiel die späte Messe in Heilig Geist aus. Für uns war das eine Forderung von Treue und solider Arbeit.

 

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