10. Der Jugendausschuss.

Der neu gewählte Pfarrgemeinderat gründete einen Jugendausschuss (1970). Und in diesem Fall war das nicht der Ausweg aus der Hilflosigkeit, sondern ein Versuch, sich den vielfältigen Aufgaben in der neuen Stadt zu stellen. Nach den ersten Wellen des Zuzugs gab es schon eine größere Zahl von Jugendlichen in Hochdahl, aber fast keine Räume und kaum Gruppen, in denen sie sich treffen konnten. Viel geklagt wurde zu der Zeit darüber, dass es in der neuen Stadt praktisch keine Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung für die jungen Leute gab: kein Kino, keine passende Kneipe, kein anderer Treffpunkt. Lediglich „V2“ war vorhanden. Dieses Kürzel stand für „2.Versuch“. In einem ersten Versuch hatten einige Jugendliche sich in einem alten Haus eingerichtet und daraus einen kleinen Treffpunkt für Jugendliche gemacht – natürlich in absoluter Selbstverwaltung. Und als sie das Haus räumen mussten, entstand „V2“. Allerdings war im neuen Unterschlupf sowohl der Raum begrenzt, als auch die Gruppe der Jugendlichen, die sich dort trafen.

 „Welche Möglichkeiten haben Jugendliche in Hochdahl?“, dieser Frage sollte sich der Jugendausschuss der Pfarrei stellen. Dabei kam es einmal zu einem witzigen Missverständnis, das aber erkennen lässt, wie die Lage damals war. Wir luden zu einer Versammlung ein – in der alten Baracke hinter der Trillser Kirche – und wir machten ordentlich Reklame für die Zusammenkunft. Wir wollten miteinander überlegen, was wir in Hochdahl für die Jugendlichen tun könnten. Der Titel der Veranstaltung lautete: „Jugendträume werden wahr!“ Und viele kamen. Im Gespräch fragten dann einige Anwesende penetrant nach Räumen für ihre Treffen. Das Problem der fehlenden Räume kannten wir zwar, aber warum das Thema in dieser Runde so wichtig wurde, haben wir erst hinterher gemerkt: bei der Herstellung der Plakate war uns bei den „Jugendträumen“ unbemerkt das „t“ abhanden gekommen. Pech! Passende Räume hatte zu der Zeit auch die Kirchengemeinde nicht zu bieten. Trotzdem entstanden aus diesem Gespräch einige Aktivitäten, die ein paar Leute für die nächste Zeit zusammenbrachten. Wir haben wirklich klein angefangen!

Die Aktivitäten des Jugendausschusses beschränkten sich nicht auf Reden über nicht vorhandene Räume. Nach einer Zeit der Vorbereitung entstanden auch ein paar Gruppen für jüngere Jugendliche. Zwei davon bekamen einen Raum in der Grundschule Willbeck. Also selbst das Raumproblem war nicht unlösbar. Vermutlich deshalb, weil die Bereitschaft zu gegenseitiger Hilfe zwischen den verschiedenen Institutionen und Vereinen groß war. Auch in Trills scheint noch etwas an Aktivität möglich gewesen zu sein.

Schon 1969 war eine Verbindung von Hochdahl zur Jugendakademie Walberberg aufgenommen worden. Die Jugendakademie befand sich neben dem Kloster der Dominikaner in Walberberg zwischen Köln und Bonn. Dort gab es einige Patres, die in ihren Vorträgen und Gesprächen den Ton der Jugendlichen trafen und in der Lage waren, das Evangelium für die heutige Zeit fruchtbar zu machen. Das Gehörte wurde dann im kleinen Kreis bis tief in die Nacht hinein vertieft und weiter erschlossen. Die Fahrten nach Walberberg waren in Hochdahl beliebt. Auch die Mitglieder des Jugendausschusses nutzten das Angebot und begleiteten auch hin und wieder jüngere Jugendliche.

Viel Zeit und Phantasie hat der Jugendausschuss aufgewandt, um zur Klärung des Gemeindekonzepts für die zukünftige Pfarrei beizutragen. Diese Aufgabe reizte ihren jugendlichen Willen zum Aufbruch und entsprach gleichzeitig ihrem Verantwortungs-bewusstsein als Mitglieder der Gemeinde. Und was sie in der Gruppe besprochen und erarbeitet hatten, trugen sie dann mit Selbstbewusstsein und klaren Worten in den Pfarrgemeinderat. Das war möglich, weil einige Leute in beiden Gremien Mitglied waren.

Die Treffen des Jugendausschusses waren regelmäßig und häufig. Einer, der damals dabei war, meinte sogar, wir wären fast jede Woche zusammengekommen. Zudem waren einige gleichzeitig im Jugendchor, der auch jede Woche probte. Es war so etwas wie eine verschworene Gemeinschaft. Wir haben viel überlegt und diskutiert, aber wir haben auch viel Spaß gehabt und oft gefeiert. Das war für manche Nachbarn gar nicht so einfach: schon wieder diese Gruppe, die nie leise war! Natürlich bei dem Kaplan, von dem man doch eigentlich etwas anderes erwartet hätte! Und dessen Wohnung war auch noch in einem normalen Wohnblock – pro Eingang 12 Wohnungen. Anderen Nachbarn gefiel es, wenn Leben im Haus war. Und die trugen auch ihrerseits dazu bei – feucht, fröhlich, wenn sich eine Gelegenheit bot.       

Als das Pfarrzentrum in Sandheide fertig wurde, entstand bald ein Offener Treff, von dem noch Jahre später viele Geschichten erzählt wurden. Organisiert wurde er vom Jugendausschuss und eingeladen waren alle Hochdahler Jugendlichen. Und es kamen Leute von sehr unterschiedlicher Eigenart. Nicht alle waren die Sanftmut in Person. Vor allem wenn der Alkohol nicht hinreichend unter Kontrolle war, konnte es vorkommen, dass ein Teilnehmer im Pfarrsaal die Tür zur Küche eintrat. Ob er die Reparatur hinterher bezahlt hat, weiß ich nicht. Einige weibliche Mitglieder des Jugendausschusses hatten einen klaren Blick dafür, wenn einer der Herren wieder kurz vor der Randale stand. Durch eine Aufforderung zum Tanz gelang es meist, die brisante Situation zu entschärfen. Als jemand allerdings den Feuerlöscher als Spielzeug benutzen wollte, war das nicht zu verhindern; ich hoffe, man hat ihn wenigstens zum Säubern des Flurs veranlassen können.

Der offene Treff in Sandheide ist noch mehrere Jahre weitergeführt worden, auch nach den Zeiten des Jugendausschusses. Andere Gemeindemitglieder haben die Organisation und Begleitung dann übernommen. Das waren dann zum großen Teil Erwachsene, sodass wieder ausgiebig über das alte Thema der Erwachsenen in der Jugendarbeit diskutiert werden konnte.

 

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