9. Mit offenen Armen.

Da in Hochdahl in den ersten Jahren so viele neue Bewohner zuzogen, war es nötig, den Prozess des Kennenlernens zu unterstützen. Deshalb bekamen alle einen Begrüßungsbrief. Das war zunächst eine Aufgabe, um die sich die Seelsorger kümmerten. Gerd Verhoeven ging jede Woche ins Einwohnermeldeamt, wo man ihn gerne darüber informierte, wer in der letzten Woche zugezogen war. Fräulein Weber, die zu der Zeit die Sekretariatsarbeiten (in ihrer Privatwohnung in der Bergstraße) machte, schrieb die Briefe, die an alle Familien gingen, in denen ein Mitglied katholisch war. Nun gab es 1968 noch keine brauchbaren Geräte zur Vervielfältigung. Man behalf sich mit Wachsmatrizen oder dem Umdruckverfahren. Aber einen damit gedruckten Brief konnte man den Neubürgern nicht zumuten. Also schrieb Fräulein Weber jeden Brief einzeln mit der Schreibmaschine, alle Seelsorger und der Vorsitzende des Pfarrgemeinderats unterschrieben und dann ging der Brief zur Post – und das konnten zeitweise schon an die 500 Briefe pro Monat sein. Eine Heidenarbeit, die aber mit dem Schwung des neuen Anfangs geleistet wurde. Durch den Begrüßungsbrief erhielten die Zuziehenden erste Informationen über Stadt und Pfarrei. Und wer den Wunsch hatte, von einem Gemeindemitglied oder einem Geistlichen besucht zu werden, konnte das mitteilen. Diese Mühe von Büro und Gemeindeleitung war sehr wichtig. Aber noch schöner war die Idee mit dem Besuchsdienst. In einer lebendigen Gemeinde kann eine Atmosphäre von Offenheit und Gastfreundschaft entstehen. Und dann nehmen die, die schon seit einiger Zeit da sind, die Anderen, die nachkommen, „mit offenen Armen“ auf. So ungefähr war die Vorstellung und es fanden sich einige Leute, die diesen Erstbesuchsdienst begannen. Der konnte nicht flächendeckend sein, weil es ja nur sinnvoll war, Leute zu besuchen, die gerade eingezogen waren. Es ging demnach schwerpunktmäßig um die Bereiche, wo die Bebauung gerade fertig wurde. Die Zuziehenden bekamen nach wie vor den Begrüßungsbrief. Gleichzeitig wurden Namen und Anschrift an die „Besucher“ weitergegeben, die dann einen persönlichen Besuch machten. Wie viele Gemeindemitglieder bei diesem Dienst mitgemacht haben, ist nicht mehr festzustellen. In der Erinnerung eines Beteiligten war es eine ganze Gruppe, die sich auch in unregelmäßigen Abständen zusammensetzte und ihre Erfahrungen austauschte. Es gab noch eine dritte Einrichtung, um die Neubürger zu empfangen, nämlich monatliche Treffen für Neuzugezogene. Da wurde viel erzählt. Die Neuen berichteten von ihrer Herkunft und den Erlebnissen in der neuen Umgebung, sie konnten Fragen stellen, die über die Erstinformationen hinausgingen. Die Alten – von denen immer auch mehrere bei den Treffen dabei waren – versuchten, ein Bild von der Gemeinde und dem Leben in Hochdahl zu vermitteln. Diese Kontakte waren oft der erste Schritt zu dauerhaften und tragfähigen Beziehungen. Die Treffen fanden bis in die 90-er Jahre statt. Sie waren über lange Zeit ein gemeinsames Angebot mit der evangelischen Gemeinde. Die zog sich allerdings zurück, als Ende der 80-er Jahre in großer Zahl die Schlesier nach Hochdahl kamen. Denn unter denen gab es fast keine evangelischen Christen.

 

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