8. Gottesdienst

Viele junge Familien mit Kindern – es war klar, dass die Gemeinde regelmäßig „Kindermessen“ feiern musste. Und schon früh gab es einen Kreis zur Vorbereitung. – Häufig finden sich in einer solchen Vorbereitungsgruppe Menschen, die anscheinend von Natur aus in der Lage sind, die Botschaft des Evangeliums auf das Fassungsvermögen von Kindern zu übertragen. Und wenn dabei dann noch eine schöne Geschichte oder ein passendes Bild zur Verfügung steht, braucht man wegen der Katechese keine Sorge mehr zu haben. Es stießen aber auch Leute zu diesem Kreis, denen die „Übersetzung“ nicht so leicht fiel und die deshalb den Wunsch hatten, das Evangelium oder die Lesung zuerst einmal selbst zu verstehen. Eigentlich ist das ja die Voraussetzung für jede Form einer Vermittlung an andere, besonders an Kinder. In dem „Arbeitskreise Kindergottesdienst“  war es deshalb üblich, dass die Gruppe sich zweimal traf, das erste Mal für das eigene Verständnis des entsprechenden Textes und das zweite Mal für die Umsetzung in die Katechese. Bei dem ersten Treffen war immer der Geistliche dabei, und das war die Praxis von Anfang an. Die Umsetzung wurde dann manchmal von einer Gruppe von zwei oder drei Mitgliedern erarbeitet.

Als 1972 die Heilig-Geist-Kirche fertig war, hat sich dieser „Arbeitskreis Kindergottesdienst“ auch um die Krippe für Heilig-Geist gekümmert. Neue Kirche – neue Krippe! Nun hätte man ja nach Oberammergau fahren und eine schöne geschnitzte Krippe kaufen können. Das tat man aber nicht. Man fragte vielmehr: wie sieht Weihnachten heute in unserer Stadt aus? Es ging also um eine Deutung des Weihnachtsfestes für die Menschen, die 1972 in Hochdahl lebten. Da musste doch die neue Stadt vorkommen und die Neubürger mit ihren Schwierigkeiten und Hoffnungen und natürlich der Glaube, dass Gott Mensch wird. Das Thema lautete dann: Alle kommen zur Krippe. Das bedeutete also Hoffnung für alle in Hochdahl und darüber hinaus. Und die Form war auch anders als gewohnt. An der Rückwand der Kirche war ein großes Stück Rupfen (grobes Sackleinen) befestigt und auf dieser Fläche alle möglichen Figuren, die Bewohner Hochdahls darstellten. Und alle kamen zur Krippe. Im Laufe der Jahre hat es viele solche Versuche gegeben, das Weihnachtsereignis in der neuen Stadt Wirklichkeit werden zu lassen. Bei einer der Darstellungen fand die Geburt Christi in einer Bushaltestelle statt, mitten in Hochdahl. Diese Krippen haben nicht allen gefallen und zwischendurch wurde der Wunsch laut, doch wieder so eine schöne, alte Krippe zu haben. Aber ist es bei einer Krippe nicht so wie bei der Predigt? Da darf man ja auch nicht bloß das Evangelium mit eigenen Worten wiederholen, sondern muss deutlich machen, was die Botschaft für das eigene und für das gemeinsame Leben bedeutet. Nur dann kann das Wort Gottes Ermutigung und Hilfe für das Leben werden. Zugegeben, manchmal ist es recht fordernd, immer wieder neu aus den Verfestigungen der Vergangenheit aufzubrechen – erst recht, wenn sie einem so ans Herz gewachsen sind wie eine schöne Krippe.

 

Für die größeren Gemeindemitglieder – Jugendliche und auch Erwachsene – gab  es schon sehr früh Gottesdienste mit rhythmischen Liedern. Diese Lieder waren neu und man nannte sie deshalb „Neues geistliches Lied“ oder mit einer Bezeichnung, die von Peter Janssens (siehe unten) stammte, „Sacro Pop“. Es ist erstaunlich, wie schnell diese neue Kirchenmusik entstanden ist. Kaum war das Konzil zu Ende, da gab es schon überzeugende Versuche mit neuen Texten und Kompositionen. Ich begegnete diesen neuen Liedern, als die sogenannten „Duisburger Messen“ auftauchten. In Duisburg wurden sie zum  ersten Mal gesungen und bei Hoppe & Werry in Mülheim/Ruhr gedruckt. Ich war Kaplan in Waldbröl und bin sofort angesprungen. Die Melodien waren Spirituals und sie waren mit deutschen Texten unterlegt. Deswegen nannten wir sie auch „Jazz-Messen“. Es gab Lieder für den Advent, für die Fastenzeit, für Ostern und Pfingsten. Wir haben sie mit Begeisterung gesungen, vor allem weil der Swing-Rhythmus so schön in die Beine geht. Das war unsere Musik! So haben wir es damals empfunden. Die erste Jazzmesse in Waldbröl (1968) haben wir dann allerdings nicht in der Pfarrkirche gesungen, zur Sicherheit sind wir lieber in eine der Waldbröler Filialkirchen ausgewandert. Was genau die Ursache für diese Vorsicht war, kann ich nicht mehr sagen. Ob Dechant Emmerich Wolter, ein alter Pfadfinderkaplan, dazu geraten hatte oder ob wir Angst vor der eigenen Courage hatten, weiß ich nicht mehr. Denn die Sachen waren ja neu. Und die Lieder wurden nicht mit der Orgel begleitet, sondern mit Klavier, Schlagzeug und Gitarre. Und „das Schlagzeug in der Kirche“ war auch in der Folgezeit für manche ein Stein des Anstoßes. Der zweite Versuch fand dann allerdings schon in der Pfarrkirche statt und es dauerte nicht lange bis zu dem Gottesdienst, bei dem wir die Jazzmesse (in der Pfarrkirche!) mit voller Dixieland-Besetzung begleiteten.

Und dann trat Peter Janssens in unseren Gesichtskreis. Zum ersten Mal gesehen habe ich ihn in Altenberg bei einem Treffen der Dekanatsjugendseelsorger. Das muss 1968 oder 1969 gewesen sein. Und dann lernte ich im Anschluss an die Duisburger Messen seine ersten Lieder für den Gottesdienst kennen. Eins davon haben wir bis nach der Jahrtausendwende immer wieder im Firmgottesdienst gesungen: „Der Geist wird uns lehren“. Ich glaube, das ist eines seiner ganz frühen Lieder. „Vier swingende Weihnachtslieder“ gab es von ihm schon 1965, verlegt beim Verlag Schwann in Düsseldorf  mit einer kleinen Schallplatte. Eines davon hat mich besonders ergriffen – mit einem wunderbaren Text von Christine Heuser: „Mit diesen Händen, Kind, die sonst das Steuer halten und Geld verdienen, kann ich dich nicht wiegen.“ Heftig zur Sache ging es dann, als er mit Texten von Alois Albrecht die „Traummesse“ geschrieben hat. Wir haben sie – in Hochdahl – etwa 1971 eingeübt und 1972 gesungen, begleitet von einigen Mitgliedern der „Survivers“, einer Band aus Hilden, die auch bei manchen Pfarrfesten und Karnevalsfeiern musikalisch für Stimmung gesorgt hat. „Traummesse“ hieß die Messe wegen des ersten Liedes: „Wir haben einen Traum“, und für manche war das zweite ein Ausdruck ihrer Hoffnung: „Die Sache Jesu braucht Begeisterte“.

In Hochdahl gab es 1969 schon einen Jugendchor und eine Combo für die Jugendmessen. Und wie die Jungs an den Instrumenten spielten, das war sehr ursprünglich, sehr nahe am „normalen“ Leben. Und dadurch hat das Spielen viel Spaß gemacht. Das begann schon, wenn Hans Bones – junger Religionslehrer in Erkrath – heranrollte und der Hals des Kontrabasses aus dem Sonnendach seines Käfers herausragte. Und es tat der Qualität der Musik keinen Abbruch, wenn Jürgen Schallück, genannt „Schalla“, als Verstärker für seine Gitarre ein altes „Dampfradio“ benutzte. Es hat uns zwar geärgert, aber wir haben uns nicht allzu sehr darum gekümmert, dass um 1970 herum von der Diözese die Verfügung kam: Schlagzeug in der Kirche ist verboten. Sollten wir uns denn wieder mit den alten Kirchenliedern begnügen, die doch oft musikalisch wie textlich einfach schlecht waren bzw. sind? Und ist es denn wahr, dass Glaube sich nur lahm und getragen und emotionslos äußern darf? Wir liebten den Rhythmus, die „normalen“ Instrumente, das freudige oder begeisterte Singen. Und was haben wir nicht alles gesungen – außer den „Duisburger Messen“! Spirituals in ursprünglicher Form und Sprache, Lieder aus  Musicals, „O happy Day“ und „Amen“! Und manchmal konnte man nach dem Gottesdienst auf den Gesichtern vieler Besucher Freude und Dankbarkeit erkennen.  Warum haben so viele in der Kirche das Potential nicht erkannt, das in diesem Aufbruch vorhanden war? Andererseits: warum war er irgendwann zu Ende?

Bei vielen dieser Erinnerungen tauchen Bilder der Heilig-Geist-Kirche auf. Angefangen hat unsere  musikalische Aktivität sicher in St.Franziskus. 1972 wurde Heilig-Geist fertig, und in diesem Raum konnte sich der Gottesdienst viel großzügiger und gemeinschaftsbezogener entfalten.

 

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