56. Das Haus in Trills

Das Vereinshaus – so hieß es bis 1985 – steht in Trills an der Hildener Straße direkt oberhalb von Kirche und Pfarrhaus. Es wurde Anfang des 20.Jahrhunderts erbaut, in den zwanziger Jahren erweitert und diente – wie der Name sagt – den Vereinen in Trills als Treffpunkt und Versammlungsmöglichkeit. Dazu hatte das Haus im Hauptgeschoss einen mittelgroßen Saal mit Bühne, der für viele Aktivitäten genutzt wurde: als Probenraum für Männergesangverein, Frauenchor und Kirchenchor, als Übungsraum mit Schießmöglichkeit für Schützen, als Versammlungsraum für Kolping, Jungfrauenverein und Frauengruppen, für Nähkurse,  Bildungsveranstaltungen, Tanz und Theateraufführungen. Im Obergeschoss gab es eine Reihe von Zimmern, die in früheren Jahren wandernden Gesellen eine Bleibe boten. Von besonderer Bedeutung war das „Trillser Stübchen“, eine kleine Gastwirtschaft in dem südlichen Teil des Hauses auf der Seite zum Pfarrhaus hin. Hier konnte man noch, als viele andere Geschäfte und Handwerker aus Trills schon verschwunden waren, zu einem Glas Bier einkehren. Und auch die verschiedenen Gruppierungen konnten sich abends nach beendeter Probe oder Veranstaltung noch zu einem gemütlichen Ausklang zusammensetzen. Über dem Stübchen gab es neben dem Saal noch einen kleineren Raum, der bei Veranstaltungen dem Saal angeschlossen werden konnte.

 

Das Vereinshaus hatte eine bewegte Geschichte, die Wilhelm Wassen in der Festschrift von 1985 kenntnis- und detailreich ausbreitet. Besonders auffällig ist, wie lebendig und vielfältig das Leben in den 20-er Jahren in und um das Vereinshaus war. Viele, vor allem sportliche Aktivitäten, wurden ins Leben gerufen und der Fußballverein der DJK war ein Glanzlicht der Trillser Szene. Offensichtlich war zu der Zeit die Einwohnerzahl des kleinen Ortes recht groß, da die Eisenhütte am Bahnhof Hochdahl sowie der Eisenbahnbetrieb zahlreiche Arbeitskräfte anzog. Und auch das Geschäftsleben in Trills war gut sortiert: mehr oder weniger in jedem Haus gab es einen Laden oder einen Handwerker. Auch nach dem zweiten Weltkrieg hatten verschiedene Gruppierungen noch erstaunlich viele Mitglieder. Es existiert zum Beispiel ein Foto von einem Fest der Kolpingsfamilie von 1948, auf dem 62 Mitglieder zu sehen sind. Und im selben Jahr wurden 45 weibliche Jugendliche in den Marienbund aufgenommen. (Wassen, Festschrift 1985).

 

Der Träger des Vereinshauses war fast von Anfang an der Verein Vereinshaus. Als Eigentümer war der Verein für alle Angelegenheiten des Hauses zuständig. Er leitete notwendige Baumaßnahmen ein, hielt den Kontakt zu den kommunalen Stellen, sorgte für Instandhaltung und Kassenführung und entschied über die Nutzung des Hauses. Die Bewirtschaftung wurde von einem Pächter besorgt, der vor allem als der „Wirt im Stübchen“ wahrgenommen wurde. Der Vorstand des Vereins wurde gewählt, der Pfarrer war „geborenes Mitglied“.

 

Am 1.Januar 1983 ging das Vereinshaus in den Besitz der katholischen Kirchengemeinde über. Der direkte Anlass war der bauliche Zustand des Hauses. Das Dach war undicht geworden und auch im Innern war manches hochgradig renovierungsbedürftig. Wie Wilhelm Wassen in seiner Chronik bemerkt, fanden seit 1979 „infolge unzumutbarer Zustände im Vereinshaus lediglich die üblichen wöchentlichen Vereinsabende statt“. Und das waren nur noch fünf Treffen und ein Abend, der für eine Veranstaltung des Wirts reserviert war. Der Verein bestand in den achtziger Jahren nur noch aus 11 Mitgliedern und war natürlich nicht in der Lage, die Kosten einer Renovierung zu übernehmen. In den Statuten des Vereins war vorgesehen, dass der Verein sich unter bestimmten Bedingungen auflösen konnte. In diesem Fall sollte das Gebäude der Kirchengemeinde zufallen. „In der letzten außerordentlichen Versammlung am 13.9.1982 mit dem einzigen Tagesordnungspunkt: ‚Auflösung des Vereins’ wird mit 4/5 Mehrheit der 11 Mitglieder beschlossen, den Verein aufzulösen. Demnach geht gem. § 16 der Satzung der gesamte Besitz in das Eigentum der kath. Kirchengemeinde St. Franziskus Hochdahl über.“ (Wassen, Festschrift 1985).

 

Die 80-jährige Geschichte des Vereinshauses ging also 1983 zu Ende. An die Stelle trat das Franziskushaus als eines der drei Gemeindehäuser der Franziskusgemeinde. Manche Trillser werden diesen Übergang als Bruch in ihrer Geschichte empfunden haben. Möglicherweise markierte er sogar das Ende des alten Trills. Damit war auch die Phase abgeschlossen, in der sich das Zueinander von Trills und der neuen Stadt klären musste. Seit dem Beginn der Planungen für das Neubaugebiet hatte es darüber immer wieder Schwierigkeiten und Konflikte gegeben. Und ganz ausgestanden war es auch 1983 noch nicht. Zumindest kann man den Eindruck haben, wenn man den Bericht über den Verlauf  der Pfarrversammlung am 23.September 1983 liest (Aspekte Okt.1983). Das Thema sollte eigentlich lauten: „Was wird aus dem Vereinshaus Trills?“ Aber die Diskussion drehte sich vor allem um die Frage: „Was kann von dem bleiben, was bisher war?“. Und dabei ging es vor allem um den Erhalt des „Trillser Stübchens“. Allerdings hätte es von vorneherein klar sein können, dass der Platz im Haus für beides, eine öffentliche Gastwirtschaft und die Aktivitäten der Gemeinde, nicht ausreichen würde. Für die Kirchengemeinde war das Franziskushaus in der damaligen Situation ein Gewinn. Den gleichen Vorgang erlebten manche Trillser vermutlich  eher umgekehrt, nämlich  als den Verlust ihres Vereinshauses.

 

Damit besaß die Franziskusgemeinde ihr drittes Gemeindehaus für die seelsorgliche Grundversorgung der Gemeinde, aber in welchem Zustand! Sollte das Haus für diese Aufgabe brauchbar werden, musste es nicht nur renoviert, sondern an einigen Stellen umgebaut werden. Schon vor der Übernahme hatte eine Projektgruppe aus Mitgliedern des Kirchenvorstands, des Pfarrgemeinderats und der Gemeinde zusammen mit dem Architekten Franz-Josef Klother überlegt und geplant, wie das Haus zukünftig aussehen sollte. Und im Juni 1984 wurde mit den Bauarbeiten begonnen. Nach meiner Erinnerung war das ein mühsames Unterfangen. Vor allem die Umgestaltung der unteren Ebene, wo sich bisher das Stübchen befand, belästigte die Arbeiter mit viel Staub und manchen recht unangenehmen Gerüchen, die ihnen beim Entleeren alter Gruben in die Nase stiegen. Und das Gewicht der schweren Stahlträger, die wegen der Beseitigung tragender Wände eingezogen werden mussten, konnte man fast am eigenen Leib spüren, wenn man den Erzählungen zuhörte. Grandios war die Lösung mit dem neuen Treppenhaus samt Toiletten. Vorher kam man in das Stübchen von der Hofseite nur über eine steile und enge Stiege, und wenn man zu viel Bier getrunken hatte, musste man zur Toilette wieder raus auf den Hof und in das entsprechende Häuschen. Gerade das Untergeschoss wurde durch den Umbau zu einem echten Schmuckstück. Wenn man durch die breite Eingangstür auf der Hofseite das Haus betritt und die halbe Treppe nach unten geht, kann man nur staunen über den großzügigen Raum, der sich öffnet. Auf der linken Seite ist die Cafeteria mit Theke, Kaffeeautomat und Spülmaschine – sehr geeignet für eine Verschnaufpause zwischen anstrengenden Gesprächen. Diese kann man, wenn man will, entweder in dem großen Hauptraum des Untergeschosses führen oder auch im „Kaminzimmer“, das sich hinter der Cafeteria anschließt und wirklich einen offenen Kamin bekommen hat. Viel Mühe verwandte der Architekt auch auf die Renovierung im oberen Geschoss. Der Fußboden im Saal wurde von seinen Auflagen aus Spanplatten und vielen Anstrichen befreit, die darunter liegenden Bohlen bearbeitet, gedreht oder ersetzt „und so lange geschliffen, bis sich die Schönheit des Naturholzes wieder zeigte.“ (Klother, Festschrift 1985) Und die „mittig im Saal stehende, prächtige gusseiserne Säule“ wurde mit besonderer Liebe restauriert.

 

Die Finanzierung des Umbaus übernahm zum großen Teil die Diözese. Von den ca. 960.000 DM Baukosten musste die Gemeinde 74.000 DM aufbringen. Dazu kamen noch 6.600 DM für zusätzliche Aufwendungen, die nicht in den Baukosten enthalten waren. Am 5.8.1985, noch vor der Eröffnung des Hauses, waren bereits 46.300 DM aus Spenden und der monatlichen Kollekte zusammengekommen. Für die Mitglieder der Franziskusgemeinde war es natürlich sehr hilfreich, dass die Diözese den größten Teil der Kosten übernahm. Ob wir eine solche Belastung wie beim Roncalli-Haus noch ein zweites Mal hätten verkraften können, wäre doch recht fragwürdig gewesen. Allerdings konnte sich dadurch auch nicht die hohe Identifizierung der Gemeinde mit dem Bau in Trills einstellen. Das Franziskushaus, wie es dann genannt wurde, ist nie im gleichen Maß „unser Haus“ geworden wie das Roncalli-Haus.

 

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