55. Team 4

Und so saßen wir denn wieder – nein, nicht im Wohnzimmer von Peter Nettekoven (Nr.20), sondern in der Wohnung von Dr. Paul Adenauer in Herkenrath (Bergisch Gladbach), der in der Kölner Diözese ein kompetenter und gesuchter Supervisor für die in der Seelsorge Tätigen war. Wir hatten es also nötig und zugegen waren Brähler, Schellenberger, Staßen und Verhoeven – am 26.Juni 1986.

Peter Nettekoven hatte damals – 1972 – als Generalvikar unseren Vorstellungen von der Teamarbeit in der Leitung der Hochdahler Gemeinde zugestimmt, obwohl er Bedenken hatte, ob diese hochfliegenden Pläne auf die Dauer durchzuhalten seien. Deshalb versicherte er uns auch, er werde „mit dem Verbandskasten bereit stehen“, wenn wir in Schwierigkeiten geraten würden. Dieses Versprechen konnte er nicht einlösen, weil er schon 1975 starb, als er gerade die belastende Tätigkeit als Generalvikar beendet hatte und zum Weihbischof ernannt worden war. Wir hätten es zu der Zeit wohl auch noch nicht nötig gehabt, nach Beratung für uns als Team Ausschau zu halten. Allem Anschein nach waren die 70-er Jahre noch geprägt von dem „strotzenden Optimismus“, den wir bei Peter Nettekoven an den Tag gelegt hatten. Für mich hat sich 1980/81 irgendetwas deutlich verändert, das weiß ich seit langem. Einige Anzeichen dafür könnte ich auch nennen, aber ohne zu wissen oder beschreiben zu können, was da eigentlich geschehen ist. Das schlug allerdings auch nicht so klar durch; meine musikalischen Aktivitäten gingen weiter und das Haus in Millrath-Ost brachte Arbeit und Erfolg. Vielleicht ist es den Andern ähnlich ergangen. Unterschiedlich verteilt war aber im Team der Wunsch nach Klärung. Und dieser Wunsch brachte uns schließlich zu Paul Adenauer.

Im zweiten Teil von Team 2 wird ausführlich beschrieben, wie man sich Teamarbeit in Hochdahl im Idealfall vorstellen kann. Es gibt zwei Akzente: 1. Für den Weg der Gemeinde in die Zukunft ist das Team als Ganzes verantwortlich. Dazu ist es nötig, im Austausch der Meinungen zu einer möglichst großen Übereinstimmung zu kommen. Nicht, was einer will oder was die Mehrheit will, ist verbindlich. Deshalb soll man sich auch nicht auf Abstimmungen verlassen.  Es geht um eine Suche nach dem, was richtig ist und was in der konkreten Situation und auf Zukunft hin als Wille Gottes und als Führung des Geistes erkennbar wird. Dazu ist sehr viel Offenheit und sehr viel Vertrauen nötig. – Der zweite Akzent: 2. Für einen bestimmten Arbeitsbereich ist jeweils einer aus dem Team verantwortlich. Und alles, was in diesem Bereich geplant und durchgeführt werden muss, liegt in seiner Hand. Er kann von  seiner Arbeit und seinen Erfahrungen im Team erzählen und er kann mit den Anderen überlegen und sprechen. Und gemeinsam können sie auch nach Wegen und Lösungen suchen. Aber entscheiden muss der, der für den Bereich verantwortlich ist. Das Team darf nicht versuchen, zu überreden, zu kontrollieren oder gar zu manipulieren.

Dieser zweite Teil ist wohl in der Praxis auf weite Strecken gelungen. Wir waren von Veranlagung und Werdegang her sehr unterschiedlich. Und jeder von uns hatte auch einen anderen Schwerpunkt in theologischen und pastoralen Fragen und in der Seelsorge. Das ermöglichte eine erfreuliche Vielfalt im Dienst an der Gemeinde. Darin kann man auch eine gewisse Spezialisierung sehen, die es möglich machte, den besonderen Bedürfnissen bestimmter Gruppen in der Gemeinde entgegenzukommen (z.B. beruflich bedingt wie bei Lehrerarbeitskreisen, oder interessenbedingt bei sangesfreudigen Jugendlichen). Das war schon in sehr frühen Überlegungen ein Argument für die Teamarbeit in Hochdahl (vgl. „Großraumseelsorge“ in Nr.17)

Auch in den Beziehungen der Teammitglieder zueinander ist manches gut gelaufen. In vielen praktischen Aufgaben haben wir gut zusammengearbeitet. Fragen zu Liturgie und Verkündigung standen immer wieder zur Debatte; die Gemeindekatechese war ein gemeinsames Anliegen. Da viele Aufgaben sehr langwierig und dadurch oft auch ermüdend waren, war ein Wechsel in der Zuständigkeit manchmal gewünscht und auch möglich. Das war sowohl bei Bauprojekten als auch in der Gemeindekatechese sinnvoll und hilfreich. –

Was sehr schwierig war und weitgehend nicht gelungen ist, war der Austausch über die persönlichen Hintergründe, Bedürfnisse, Sorgen und Enttäuschungen. In den ersten Jahren ist das nicht zum Problem geworden. Wie waren ja auch nicht unvorbereitet in das Experiment „Teamarbeit“ eingestiegen. Schon im Studium war „Priestergemeinschaft“ das Thema, bei dem wir unsere Vorstellungen zu unsrer zukünftigen Lebensform diskutiert und ein Stück weit geklärt hatten. Und in den ersten Jahren in der Seelsorge trafen wir uns (Gerd Verhoeven und ich und einer, der dann nicht mehr nach Hochdahl kam) in einer Gruppe von fünf Kaplänen einmal im Monat zur „geistlichen Besinnung“ mit  Schriftlesung und Gedankenaustausch. Diese Praxis war dann ja auch ein Argument bei der Entscheidung, welches Team die Arbeit in Hochdahl übernehmen sollte (vgl. Nr. 6. Team). – Was sich dann bis 1986 genau untereinander an Problemen aufgestaut hatte, kann auch im Nachhinein nicht klar gesagt werden

Und dann saßen wir also bei Paul Adenauer. Die Frage war, ob wir uns darauf verständigen könnten, für  eine gewisse Zeit regelmäßig zu ihm zur Supervision zu kommen. Ich war dazu nicht bereit und habe klar abgelehnt. Der Anlass für diese Entscheidung war ein kleines Erlebnis, dass ich einige Tage vorher mit einem anderen Mitglied des Teams hatte. Obwohl wir etwas gemeinsam taten, waren unsere Verhaltensweisen so unterschiedlich, dass ich innerlich nur den Kopf geschüttelt habe. Ich war nicht wütend, aber in dem Augenblick war für mich klar, wie weit wir in unseren Vorstellungen voneinander entfernt waren. Und sofort lautete die Deutung, dass dieser Unterschied nicht nebensächlich oder zufällig war, sondern die Folge einer grundlegenden Prägung oder Veranlagung oder Erziehung. Das heißt, ich konnte bei Paul Adenauer nicht darauf hoffen, dass eine Supervision uns in Bezug auf solche Prägungen weiterhelfen würde. Wenn das Ziel aber weniger anspruchsvoll sein sollte, dass wir zum Beispiel etwas höflicher oder zurückhaltender miteinander umgehen sollten, dann war mir das nicht genug. Anscheinend war meine Entscheidung aber nicht die einzige Absage. Jemand anders soll – auch aus einem anderen Grund – ebenfalls abgelehnt haben.

Offensichtlich waren wir wirklich in unserer Prägung und Eigenart sehr unterschiedlich. Das habe ich jahrelang beträchtlich unterschätzt. Dann habe ich mich nur immer wieder gefragt, was denn eigentlich die Ursache für Ungereimtheiten und Spannungen untereinander war. Man lernt sich halt auch bei jahrelanger Zusammenarbeit nicht richtig oder intensiv genug kennen. Und manchmal wagt man wohl auch nicht, die Andersartigkeit ganz ernst zu nehmen, vielleicht weil es einen Verlust an Übereinstimmung zur Folge hat.

Manchmal habe ich in späteren Jahren gedacht, ich hätte vielleicht einem Versuch mit der Supervision zustimmen sollen. Möglicherweise wäre es ein erster Schritt geworden, der auch eine Chance für mehr gehabt hätte. Die  Entscheidung war massiv und besagte: in unserer Konstellation hat Supervision keine Chance. Ein Ende der fruchtbaren Arbeit mit und in der Gemeinde bedeutete diese Entscheidung aber nicht.

 

Zurück