41. Gemeindekatechese 3

Im Jahre 1977 haben wir mit der Firmvorbereitung begonnen. Es war das nächste große Projekt der Gemeindekatechese und hat uns bis 2007 und darüber hinaus sehr intensiv beschäftigt. Seit 1968 hatten wir mehrmals Firmung gehabt, die nach der alten Praxis vorbereitet und durchgeführt wurde. Die Älteren werden sich noch erinnern, wie diese alte Form ablief. Der Bischof kam alle vier Jahre in die Pfarrei – zumindest in die kleineren Pfarreien – und dann wurden alle Kinder, die bis dahin zur ersten hl. Kommunion gegangen waren, gefirmt. Ich erinnere mich an meine eigene Firmung. Die Vorbereitung bestand aus zwei Mal „Christenlehre“ in der Kirche. Die Zahl der Kinder war groß, der Volkschullehrer war für alle Kinder (vielleicht aber auch nur für die Jungen) der Pate. Der Bischof saß vor dem Altar, die Kinder stiegen die Stufen hinauf und knieten vor dem Bischof nieder. Zum Schluss der Firmung bekam jeder einen „Backenstreich“, den manche damals als Ritterschlag interpretierten.

 

Bei der Neuordnung der Firmung ging es für uns zunächst um das Firmalter. Wir wollten die alte Form nicht mehr weiterführen und wussten zunächst nicht genau, wie der neue Vollzug aussehen sollte. Bei der Würzburger Synode (1971 bis 1975) ist über die Firmung sehr ausführlich gesprochen worden. Die Stellungnahme zum Alter lautete, dass die Firmung nicht vor Vollendung des 12.Lebensjahres gespendet werden sollte. Wir haben in Hochdahl in dieser Zeit im Team immer wieder darüber diskutiert und kamen zu dem Entschluss, mit dem Alter noch etwas mehr nach oben zu gehen und Jugendlich mit 17 Jahren zur Vorbereitung einzuladen. Diese Überlegung war nicht aus der Theologie der Sakramente abgleitet, sondern ergab sich aus einem pastoralen Anliegen. Wir meinten, irgendwann sollte ein Mensch sich entscheiden können, wie er zu Glaube und Kirche steht. Und dafür könnte die Firmung eine Gelegenheit sein. Dann dürfte sie aber nicht angeboten werden, ehe der junge Mensch eine Mindeststufe der personalen Reife erreicht hat. Der Religionsunterricht im Gymnasium gab uns dann einen Anhaltspunkt, in welchem Alter man damit rechnen kann. Wir stellten fest, dass wir etwa ab Mitte der zehnten Jahrgangsstufe anfangen konnten, mit den Schülern über ihr Leben und ihre Erfahrungen zu sprechen.  Dabei waren sie vielfach auch schon bereit und fähig, ihre Erfahrungen zu bewerten und von daher eigene Vorstellungen für ihre Zukunft zu entwickeln. Die Beteiligung an solchen Gesprächen war natürlich bei den einzelnen Schülern sehr unterschiedlich. Aber wir meinten, dass wir ab 17 Jahren damit rechnen dürften, dass die Vorbereitung auf die Firmung eine Chance für eine Glaubensentscheidung werden könnte. Wir haben dementsprechend die Jugendlichen unserer Gemeinde mit 17 Jahren zur Vorbereitung auf die Firmung eingeladen. Zum Zeitpunkt der Firmung waren viele von ihnen dann schon 18 Jahre. – Wenn man die Entscheidung über das Firmalter so trifft, werden viele Jugendliche nicht mehr zur Firmung erscheinen. Das haben wir auch so erlebt. In den ersten Jahren hatten wir Jahrgangsstärken von etwa 200 Jugendlichen; die 200 Kommunionkinder der frühen 70-er Jahre waren inzwischen ins Firmalter gekommen. Gerd Verhoeven meint in dem unten angeführten Artikel in der Zeitschrift „Diakonia“, davon hätten sich ungefähr 45% angemeldet. In späteren Jahren waren es von den 120 bis 150 Jugendlichen eines Jahrgangs etwa 30 bis 40 Prozent. Ich kann verstehen, wenn Seelsorger glauben, diesen Abbruch (um zwei Drittel!) nicht verantworten zu können und deshalb dazu tendieren, die Firmung möglichst früh anzubieten. Dann kann man die Vorbereitung aber nicht mehr zur Auseinandersetzung mit dem Glauben nutzen. Und die Entscheidung zum Empfang des Sakramentes ist genau so wenig abgeklärt wie bei Taufe und Erstkommunion. Und ob eine frühe Firmung den Abbruch verhindern würde, ist ja mehr als zweifelhaft. Wer an dieser Stelle auf die „geheimnisvolle Kraft des Sakramentes“ setzt, ist sich hoffentlich darüber im Klaren, dass Jesus Christus nicht zaubert.

 

Und dann begann es! Im Frühjahr 1977 wurden die ersten Jugendlichen zu einem „Grundkurs des Glaubens“ eingeladen. Anscheinend war die Zahl der Teilnehmer nicht besonders groß, nach den Erzählungen von Beteiligten dürften es etwa 30 bis 40 Leute gewesen sein. Zehn Begleiter versammelten sich an einem Samstag zur Vorbereitung, die von Gerd Verhoeven und Klaus Tigges aus dem  Generalvikariat geleitet wurde. Die beiden müssen die Sache mit viel Schwung und viel Mut angegangen sein, denn es gab für die Durchführung dieser neuen Form der Firmvorbereitung kein Vorbild, das man einfach hätte nachvollziehen können. Infolgedessen gab es für die Stunden mit den jungen Leuten auch kein Arbeitsmaterial. Einer der Begleiter fuhr deshalb einige Tage nach dem ersten Treffen nach Düsseldorf zur Buchhandlung Bierbaum und bat die sehr kompetente Buchhändlerin Frau Grüger um Hilfe. Die musste allerdings eingestehen, dass es für diese Aufgabe kein Material gab. Sie empfahl ihm aber Jörg Zink. Der wäre dafür sicher eine gute Hilfe. – Auf  den ersten Blick scheint fehlendes Arbeitsmaterial bei einer solchen Tätigkeit ja ein schwerwiegender Mangel zu sein. Aber vielleicht waren dadurch alle – Leiter, Begleiter und Jugendliche – viel mehr auf ein intensives Gespräch und das gemeinsame Suchen nach Antworten für das eigene Leben ausgerichtet. Es ging ja sowieso nicht um Wissensvermittlung, sondern um den Austausch von Fragen und Einsichten, die jeder aus den Erfahrungen des eigenen Lebens mitbrachte. Nach dem Zeugnis des Neuen Testaments geschieht die Weitergabe des Glaubens bekanntlich nicht durch Auswendiglernen eines Systems von Glaubenssätzen, sondern durch das Zeugnis des Glaubens, mit dem ein Mensch für seinen eigenen Weg einsteht. – Es scheint, dass bei diesem ersten Durchgang eine sehr positive Atmosphäre in der ganzen Gruppe geherrscht hat. Besonders betont wird bei den Erzählungen die gute Gemeinschaft, auch zwischen Jugendlichen und Begleitern. „Wie die Kletten haben sie an uns gehangen“, äußerte sich einer der Begleiter. Dazu trugen sicher auch die gemeinsamen Aktivitäten bei, wie ein Bus-Ausflug nach Aachen mit Kaffeetrinken in einem Restaurant im Aachener Wald und (natürlich) einer Besichtigung des Domes, ein Besuch der Ausstellung „Zwischen Rhein und Maas“ in Köln und dem von Anfang an obligaten Wochenende in Rinsecke. Manche Gruppen trafen sich noch nach Jahren. – Die Art  der Firmvorbereitung war neu und das Interesse war groß. Viele Gemeinden waren genauso auf der Suche wie wir. Und so war es nicht verwunderlich, dass Gerd Verhoeven in den ersten Jahren nach 1977 immer wieder eingeladen wurde, das Hochdahler Konzept vorzustellen. Dabei fuhren immer auch Jugendliche oder Begleiter mit, um von ihren persönlichen Erfahrungen zu erzählen. Auf dem Düsseldorfer Katholikentag 1982 gab es eine Veranstaltung zu diesem Thema. !983 fand in Freiburg der Deutsche Katechetische Kongress statt, den der Deutsche Katecheten-Verein alle zwei Jahre veranstaltet. In der Eröffnungsveranstaltung hat Gerd Verhoeven erzählt, wie die 100 Jugendlichen des neuen Firmkurses (von über 200 des betreffenden Jahrgangs, die eingeladen worden waren) ihr erstes gemeinsames Treffen erlebt und gestaltet haben. – Im Laufe dieser ersten Jahre entstand dann auch eine Sammlung von Hilfen, Anregungen und spielerischen Einstiegen für die Gespräche in den Firmgruppen. Was sich in der Praxis schon bewährt hatte, wurde zunächst auf losen Blättern zusammengetragen. Mitte der 80-er Jahre entstand daraus eine gedruckte Mappe. Sie hatte den programmatischen Titel: „Glaubensgespräche mit  jungen Menschen – Firmbausteine für 17jährige.“ Der Deutsche Katecheten-Verein in München hat sie verlegt und jahrelang im Verlagsangebot gehabt. Die Anregungen dieser „Glaubensgespräche“ sind von vielen Gemeinden aufgegriffen worden. 1993 betrug die gedruckte Gesamtauflage 9600 Exemplare. Später nahm der Katecheten-Verein eine neue Firmmappe in sein Programm auf mit dem Titel „Mich firmen lassen“ (etwa im Jahr 2000 – 6.Auflage 2005), die wir neben unserer Mappe in den letzten Jahren ebenfalls benutzt haben. – Die Bedeutung der Firmvorbereitung für die Entwicklung der Gemeinde in Hochdahl kann man kaum überschätzen. Dreißig Jahre lang war sie ein zentrales Anliegen der Seelsorge, in die wir viel Kraft und Phantasie investiert haben. In der Zeitschrift „Diakonia“ vom September 1984 hat Gerd Verhoeven in einem Artikel das Konzept und die Hintergründe dargestellt und die Erfahrungen mit dieser Arbeit beschrieben. Dieser Artikel ist gewissermaßen ein Rechenschaftsbericht über die ersten Jahre und macht die Veränderungen in der Pastoral der Sakramente und in der Mentalität der Gemeinde deutlich. Deshalb soll er hier – zumindest in Auszügen – abgedruckt werden.  

 

 

Artikel von Gerd Verhoeven. Zeitschrift „Diakonia“, Sept. 1984 (Auszüge).

 

1. Neue Wege der Firmvorbereitung

 

(…) In einem Neubaugebiet stellt sich die Frage nach Ziel und Weg der Gemeindebildung vermutlich deutlicher als in einer gewachsenen Gemeinde: die Stütze fester kirchlicher Strukturen fällt weg. Andererseits kann man unbelastet von dem, was man früher dachte, meinte und tat, neue Formen kirchlichen Zusammenlebens einüben. In einem Schlagwort: bei uns tragen alte, volkskirchliche Strukturen noch weniger als anderswo. Es muss die Entscheidung getroffen werden, ob man solche Formen restaurieren oder ob man bewusst in Richtung einer „Entscheidungskirche“ arbeiten will.

 

2. Wie unsere Firmvorbereitung aussieht

 

Diese Gemeindesituation hatte pastorale Konsequenzen. Eine davon ist unsere Firmvorbereitung. Wegen der großen Jahrgänge haben wir jedes Jahr Firmung. Vor Weihnachten werden die Jugendlichen, die im Firmjahr 17 Jahre alt sind, zu einem „Grundkurs des Glaubens“ eingeladen. Bis zum  Jahreswechsel kommen ungefähr 45% positive Antworten zurück. Gleichzeitig beginnt die Werbung der Firmbegleiter: durch das Proklamandum am Sonntag, durch das 14täglich erscheinende Mitteilungsblatt,  durch den vierteljährlich erscheinenden Pfarrbrief, durch persönliches Ansprechen, vor allem durch Firmbegleiter der Vorjahre. Alle, die sich für diese Aufgabe interessieren (Erwachsene und auch gefirmte Jugendliche), werden zu einem Informationsabend eingeladen. Da geht es um ein erstes Kennenlernen, um die Abklärung des zeitlichen Aufwandes, um die Klärung der Chancen, aber auch der möglichen Schwierigkeiten, die mit dieser Arbeit verbunden sein können. Die notwendige Begleiterzahl zu gewinnen ist in den letzten Jahren unterschiedlich schwer gewesen. Immerhin brauchten wir in diesem Jahr für 12 Firmgruppen mit je ca. 10 Jugendlichen 24 Erwachsene (12 Frauen und 12 Männer) und 12 Jugendliche! Oft bestehen die Firmgruppen über die Firmung hinaus fort und binden so die Begleiter weiter. Zudem meine ich, niemand sollte mehr als zwei Jahre hintereinander Firmbegleiter sein. Da gibt es natürliche „Verschleißerscheinungen“.

 

Ein gemeinsames Wochenende der bereiten Firmbegleiter vor der eigentlichen „Firmvorbereitung“ führt in die Thematik der Arbeit ein, macht bekannt mit möglichen Methoden und Inhalten dieser Arbeit. Am Ende dieses Wochenendes finden sich die Begleiter dann zu Dreier-Teams  zusammen, die künftig eine Firmgruppe begleiten werden (möglichst eine Frau, ein Mann und ein gefirmter Jugendlicher).

 

Während der eigentlichen Firmvorbereitung treffen sich die Begleiter etwa alle drei Wochen zu einem Abend oder zu einem ganzen Samstag mit mir oder einem anderen „Hauptamtlichen“, um mögliche Inhalte der Firmvorbereitung für sich selbst zu durchdenken und abzuklären. Zur Vor- und Nachbereitung der einzelnen Gruppenabende treffen sich die Dreier-Teams möglichst wöchentlich. Hier und da wird noch eine zusätzliche „Beratung“ über mögliche Schwierigkeiten, die in einer Gruppe entstehen, angeboten.

 

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