5. Die Ehekreise

Pfarrer Hans Meixner, der seit 1958 in Trills Pastor war (Hochdahl und Millrath gehörten auch zur Pfarrei) nahm die Aufgabe, die sich ihm mit der neuen Stadt stellte, mit sehr viel Engagement und Bereitschaft an. Obwohl er 1958 eigentlich in eine kleine Gemeinde gekommen war und das sicherlich auch so gewollt hatte, kümmerte er sich intensiv um den inneren und äußeren Aufbau der schnell wachsenden Pfarrei. Dabei hatte er wohl auch ein recht vertrauensvolles Verhältnis zum Stadtplaner und vielleicht ergab sich daraus – in Zusammenarbeit mit der Diözese – dann auch wie ein Geschenk an uns Spätgeborene die Böhm-Kirche in der Sandheide (Grundsteinlegung 1969, Einweihung 1972).

 

Für den inneren Aufbau der Gemeinde war es natürlich entscheidend, wie sich die Zuziehenden in der neuen Umgebung einlebten. Die Bedingungen waren günstig. Denn eine der stärksten Strebungen der Ankommenden war das Bedürfnis nach Kontakten. Vor allem die zahlreichen jungen Familien mit ihren Kindern brauchten Beziehungen zu anderen Familien. Das wurde natürlich an vielen Stellen in der neuen Stadt möglich. Mütter mit kleinen Kindern kommen ins Gespräch, wenn sie sich auf dem Spielplatz treffen. Beratung, Anmeldung und Elternarbeit im Kindergarten und in der Schule schaffen Gemeinschaft. Und wir waren der Meinung, dass auch die christliche Gemeinde dabei eine besondere Aufgabe und Möglichkeit hat, denn „Gemeinde ist Gemeinschaft“. Eine der ersten Aktionen in dieser Richtung war Ende 1968 die Gründung der Ehekreise. Pfarrer Meixner war dabei die treibende Kraft, kongenial begleitet von seinem neuen Kaplan Gerd Verhoeven, der seit September 1968 in Hochdahl war. Innerhalb kürzester Zeit entstanden neun Ehekreise. Etwa 10 Paare fanden sich zu einem Kreis zusammen, trafen sich bei einer der Familien, diskutierten über Gott und die Welt, machten mit Kind und Kegel Ausflüge in den Hildener Stadtwald, oft im Anschluss an eine Kindermesse oder eine gemeinsame Veranstaltung in der Kirchengemeinde. Und mit vielen jungen Familien unterwegs zu sein (im zweifachen Sinne), war einfach schön.

 

Die Ehekreise waren von vorne herein als Gesprächskreise konzipiert. Bei den monatlichen Zusammenkünften gab es immer ein Thema. Wichtig waren zu dieser Zeit Fragen, wie man „heutzutage“ Kinder richtig erzieht, wobei zum Beispiel Bücher von Otto Betz beliebte Hilfen waren. Es ging auch darum, wie man in der veränderten Zeit gut und als Christ leben sollte. Wir hatten ja nach dem Konzil intensiv und erfolgreich für die Mündigkeit der Laien plädiert. Da war es dann aber wichtig, den Weg zu finden zwischen den alten Sündenkatalogen und der geforderten und gewünschten Selbstverantwortung. Und so versuchten diese Gruppen, im Gespräch und Erfahrungsaustausch Orientierung und Klärung zu finden. Im Januar 1971 begann in Würzburg die Synode der Bistümer Deutschlands. Sie hatte die Aufgabe, die Weisungen des Konzils auf die Situation der deutschen Bistümer hin zu übersetzen. In der Vorbereitungsphase gab es für Gesprächsgruppen in den Gemeinden ausführliches Arbeitsmaterial. Wir haben dieses Material vor allem in den Ehekreisen ausgiebig genutzt. Das Thema der Gespräche war – entsprechend dem Anlass – „Kirche, Gemeinde, Glaube, christliches Leben“. Die Gespräche waren intensiv und die Diskussionen oft hitzig. Das war natürlich in den verschiedenen Gruppen unterschiedlich je nach Eigenart und Zusammensetzung des Kreises. Normalerweise war einer der Geistlichen an den Abenden dabei – mit seinem theologischen Wissen, aber vielleicht mehr noch mit seiner persönlichen Einstellung und Glaubenserfahrung. Hier konnte man bei einer Reihe von Teilnehmern die hohe Kompetenz und Identifikation mit Kirche und Glaube erleben, von denen schon die Rede war. Und das Ergebnis war oft ein schönes Erlebnis von Gemeinschaft und eine Stärkung des Bewusstseins „wir sind Gemeinde in der neuen Stadt Hochdahl“.

 

Diese Kreise junger Familien entwickelten großen Elan. Sie setzten sich intensiv ein, wenn es in der Gesamtgemeinde etwas zu tun gab. Ob es die Arbeit in der Bücherei, die Vorbereitung

von Gottesdiensten oder Festen oder der Besuch nachkommender Neubürger war – anscheinend haben diese ersten neuen Gemeindemitglieder keine Arbeit gescheut. Diese Atmosphäre von Bereitschaft und Mittun war wohl eine typische Erscheinung für die frühe Zeit und war durchaus nicht auf die Ehekreise beschränkt. So entstand bald ein Besuchsdienst für Neuzugezogene, Gruppen für die Vorbereitung von Kinder- und Familiengottesdiensten,  Chor und Band für Jugendgottesdienste – zusätzlich zu den normalen Gremien Kirchenvorstand und Pfarrausschuss, die sich um die Gesamtlinie des Aufbaus kümmerten.

 

An den Ehekreisen lässt sich verdeutlichen, was in den folgenden Jahren Linie des Lebens in der Hochdahler Gemeinde werden sollte.

 

* Die Gläubigen versammeln sich, sie werden nicht versammelt. Sie suchen miteinander Antwort auf die Fragen ihres Lebens und zwar eine Antwort aus dem Glauben. Sie diskutieren und sprechen über ihren Glauben, über die Erziehung der Kinder, über den Weg der Kirche und der Gemeinde in die Zukunft (ausdrücklich im Zusammenhang mit der Synode der Bistümer Deutschlands Anfang der 70-er Jahre).

* Die Geistlichen beteiligen sich mit ihrer Erfahrung, ihrem theologischen Wissen, ihrer eigenen Glaubensüberzeugung an dem Gespräch. Sie wirken in dem Maß, wie ihr Wort überzeugt. Sie sind nicht Sprachrohr der offiziellen kirchlichen Meinung.

* Die fragende und suchende Gruppe ist klein (nicht über 20 Personen). Kein Einzelner soll den „Meinungsführer“ abgeben. Die Vielfalt der Vorstellungen soll zu Wort kommen, damit durch die verschiedenen Perspektiven alle der Wahrheit näher kommen.

* Der Glaubenssinn der Gemeinde wächst vor allem durch die klärende Arbeit in den Gruppen. Natürlich kommen dazu andere Wege wie Predigt, Vortrag, Versammlung, Gottesdienst, Fest und Feier, Besuch und Einzelgespräch. (Das bedeutet, dass die Seelsorge ihren Schwerpunkt in der Gruppe hat).

 

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